Baudolino - Eco, U: Baudolino
gefolgt, bis er merkte, dass er in einem kleinen Tal gelandet war und das Licht deswegen oben zu sein schien, weil er sich unten befand; doch nachdem er den Hang hinaufgeritten war, sah er das Licht immer größer werden, bis ihm klar wurde, dass es aus einer jener gemauerten loggiaförmigen Scheunen kam, in denen die Tiere gehalten werden, wenn im Haus nicht genügend Platz ist. Und in der Scheune befanden sich eine Kuh und ein Esel, der gottserbärmlich schrie, und eine Frau mit den Händen zwischen den Beinen eines Schafes, und das Schaf war gerade dabei, ein Lämmchen zu gebären, und blökte aus Leibeskräften.
Er war er auf der Schwelle stehen geblieben, um zu warten, bis das Lämmchen ganz draußen war, dann hatte er den Esel mit einem Fußtritt beiseite gestoßen und war hingestürzt, um seinen Kopf in den Schoß der Frau zu legen mit dem Ruf Mutter, liebe gesegnete Mutter , und sie hatte einen Moment lang überhaupt nichts begriffen, hatteseinen Kopf hochgezogen und ans Licht gehalten, und dann war sie in Tränen ausgebrochen und hatte schluchzend zu murmeln begonnen: »O Herr, o Herr, zwei Tiere in einer Nacht, eins neu geboren und eins zurückgekehrt aus dem Hause des Teufels, das ist ja wie Weihnachten und Ostern am selben Tag, das ist zu viel für mein armes Herz, haltet mich, ich falle in Ohnmacht, genug jetzt, hör auf, Baudolino, grad hab ich Wasser heiß gemacht, um dieses Kleine zu waschen, siehst du nicht, dass du dich ganz mit Blut besudelst, aber wo hast du denn dieses Gewand her, das sieht ja aus wie von einem Herrn, du wirst es doch nicht gestohlen haben, du Unglücksmensch, nichtsnutziger!«
Und Baudolino meinte die Engel singen zu hören.
14. Kapitel
Baudolino rettet Alexandria mit
der Kuh seines Vaters
»Dann hast du also, um deinen Vater wiederzusehen, zu seiner Belagerung kommen müssen«, sagte Niketas gegen Abend, während er seinem Gast duftiges Schaumgebäck in Form von Blüten, Pflanzen oder Schmuckgegenständen anbot.
»Nicht gleich, die Belagerung war erst sechs Jahre später. Nachdem ich die Geburt der Stadt miterlebt hatte, ging ich zu Friedrich zurück und erzählte ihm, was ich gesehen hatte. Ich war noch nicht ganz fertig, da tobte er schon los. Eine Stadt dürfe nur mit Einwilligung des Kaisers gegründet werden, brüllte er, und wenn sie ohne diese Einwilligung gebaut werde, müsse sie dem Erdboden gleichgemacht werden, noch ehe sie fertig gebaut worden sei, sonst könne ja jeder nach Gutdünken handeln ohne das Plazet des Kaisers, und was würde dann aus dem nomen imperii ... Später beruhigte er sich wieder, aber ich kannte ihn gut, er würde es nicht verzeihen. Zum Glück war er dann ungefähr sechs Jahre lang erstmal mit anderen Dingen beschäftigt. Er erteilte mir verschiedene Aufträge, unter anderem den, die Absichten der Alexandriner zu erkunden. So begab ich mich zweimal nach Alexandria, um zu sehen, ob meine Mitbürger irgendwelche Zugeständnisse machen würden. Tatsächlich waren sie bereit, sehr viele zu machen, aber Friedrich wollte in Wahrheit nur eines, nämlich dass die Stadt im Nichts verschwand, aus dem sie gekommen war. Du kannst dir vorstellen, wie die Alexandriner darauf reagierten, ich wage nicht, dir zu wiederholen, was sie mir auftrugen, ihm zu wiederholen ... Im übrigen machte ich mir bewusst, dass meine Reisen nur ein Vorwand waren, um sowenig wie möglich am Hofe zusein, denn es tat mir immer noch weh, der Kaiserin zu begegnen und mein Gelübde zu halten ...«
»Du hast es gehalten«, fragte Niketas im Ton einer Feststellung.
»Ich habe es gehalten, und zwar für immer. Kyrios Niketas, ich mag zwar ein Pergamentfälscher sein, aber ich weiß, was Ehre ist. Beatrix hat mir geholfen, das Gelübde zu halten. Die Mutterschaft hatte sie verändert. Oder jedenfalls gab sie das vor, ich habe nie herausgefunden, was sie wirklich für mich empfand. Ich litt, doch ich war ihr dankbar für die Art, wie sie mir half, mich mit Anstand und Würde zu benehmen.«
Baudolino hatte inzwischen die Schwelle zum dreißigsten Lebensjahr überschritten und war versucht, den Brief des Priesters Johannes als einen Studentenjux zu betrachten, eine schöne Übung im Briefeschreiben, einen jocus , ein ludibrium . Doch eines Tages traf er seinen alten Studienfreund, den Poeten wieder, der nach Rainalds Tod keinen Beschützer mehr hatte, und man weiß ja, wie es in solchen Fällen bei Hofe geht: Du bist nichts mehr wert, und einige fangen schon an zu sagen,
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