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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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der Quelle wiederfinden‹.«
    »Vielleicht stimmte das.«
    »Nicht im mindesten. Er hatte einen Weg gefunden, seinem Basileus Geld zu entlocken. Und zwar auf meine Kosten.«
    -277-
    17. KAPITEL

    BAUDOLINO ENTDECKT, DAß
    DER PRIESTER JOHANNES AN
    ZU VIELE LEUTE SCHREIBT
    Im Juli desselben Jahres begab sich Friedrich nach Venedig.
    Übers Meer von Ravenna bis Chioggia wurde er vom Sohn des Dogen begleitet, dann erreichte er die Kirche San Niccoló am Lido, und am Sonntag, dem 24., warf er sich auf dem
    Markusplatz vor Papst Alexander zu Boden. Dieser hob ihn auf und umarmte ihn mit ostentativer Herzlichkeit, und alle ringsum sangen das Te Deum. Es war wirklich ein Triumph, wenn auch nicht ganz klar war, für wen der beiden. In jedem Fall beendete es einen Krieg, der achtzehn Jahre gedauert hatte, und nur wenige Tage später unterzeichnete der Kaiser einen
    Waffenstillstand auf sechs Jahre mit den Städten der
    Lombardischen Liga. Friedrich war so zufrieden, daß er
    beschloß, noch einen Monat in Venedig zu bleiben.
    Es war im August, als Reichskanzler Christian von Buch eines Morgens Baudolino und die Seinen zu sich rief und sie bat, ihm zum Kaiser zu folgen. Bei Friedrich angelangt, überreichte er diesem mit dramatischer Geste ein von Siegeln strotzendes Pergament. »Dies ist der Brief des Priesters Johannes«, sagte er,
    »der mich auf vertraulichen Wegen aus Konstantinopel erreicht hat.«
    »Der Brief?« rief Friedrich verblüfft aus. »Aber den haben wir doch noch gar nicht abgeschickt!«
    -278-
    »Tatsächlich ist es auch nicht unserer, sondern ein anderer. Er ist nicht an dich gerichtet, sondern an den Basileus Manuel.
    Ansonsten ist er mit unserem identisch.«
    »Also bietet dieser Priester Johannes erst mir ein Bündnis an und dann den Romäern?« empörte sich Friedrich.
    Baudolino war sprachlos, denn von Briefen des Priesters verstand er etwas: Es gab nur einen, und den hatte er
    geschrieben. Falls der Priester tatsächlich existierte, konnte er auch noch einen anderen geschrieben haben, aber bestimmt nicht diesen. Baudolino ließ sich den Brief zeigen, und nach rascher Durchsicht sagte er: »Er ist nicht ganz identisch mit unserem, es gibt kleine Abweichungen. Mein Vater, wenn du erlaubst, würde ich ihn gern genauer prüfen.«
    Er zog sich mit seinen Freunden zurück, und gemeinsam lasen sie mehrere Male den Brief. Als erstes fiel ihnen auf, daß er immer noch auf Lateinisch geschrieben war. Merkwürdig, fand Rabbi Solomon, wo ihn doch der Priester an den griechischen Basileus geschickt hat. Tatsächlich lautete der Anfang: Der Presbyter Johannes, kraft der Macht und Herrlichkeit Gottes und Unseres Herrn Jesus Christus Herr der Herrschenden, an
    Manuel, den Regenten der Romäer, dem er Gesundheit und
    fortdauernden Genuß der göttlichen Gnade wünscht.
    »Zweite Merkwürdigkeit«, sagte Baudolino, »er nennt Manuel nicht Basileus, sondern Regent der Romäer. Also ist der Brief bestimmt nicht von einem Griechen in der kaiserlichen
    Umgebung geschrieben worden. Den hat jemand geschrieben, der Manuels Rechte nicht anerkennt.«
    »Also«, schloß der Poet, »der echte Priester Johannes, der sich als Herr der Herrschenden betrachtet.«
    »Lesen wir weiter«, sagte Baudolino, »und ich weise euch auf die Wörter und Sätze hin, die nicht in unserem Brief gestanden haben.«
    -279-
    Unserer Majestät war schon berichtet worden, daß Du Unsere in hoher Achtung hältst und daß Kunde von Unserer ist. Aber nun haben Wir von einem Unserer Apokrisiare erfahren, daß Du Uns etwas Erfreuliches und Vergnügliches schicken willst, auf daß sich Unsere Mildtätigkeit daran ergötze. Insofern ich Mensch bin, nehme ich die Gabe gern an und schicke Dir durch einen Unserer Apokrisiare ein Zeichen von, Uns, begleitet vom Wunsche zu wissen, ob Du mit Uns dem rechten Glauben folgst und ob Du in allem an Unseren Herrn Jesus Christus glaubst.
    Während ich nämlich sehr wohl weiß, daß ich Mensch bin, halten Deine Graeculi Dich für einen Gott, Wir aber wissen sehr wohl, daß Du sterblich bist und der menschlichen Hinfälligkeit unterliegst. In Anbetracht der Größe Unserer Freigebigkeit Wenn Dir etwas dienlich ist, was Dir Vergnügen bereiten könnte, laß es Uns wissen, sei es durch einen Wink gegenüber Unserem Apokrisiar oder durch ein Zeugnis Deiner Liebe.
    »Hier sind der Merkwürdigkeiten ein bißchen viele«, fand Rabbi Solomon. »Einerseits behandelt er den Basileus und seine
    ›Graeculi‹ mit einer Herablassung

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