Baudolino
und Verachtung, die an Beleidigung grenzt, andererseits benutzt er ein Wort wie Apokrisiar, das mir griechisch vorkommt.«
»Es heißt genau Botschafter, Emissär, wie wir geschrieben haben«, sagte Baudolino. »Aber hört weiter zu. Wo es bei uns hieß, an der Tafel des Priesters säßen der Metropolit von Samarkand und der Erzpriester von Susa, ist hier die Rede vom Protopapaten Sarmagantinum und vom Archiprotopapaten de Susis. Und hier, unter den Wundern des Reiches wird ein Kraut namens Assidios genannt, das die bösen Geister austreibt. Drei weitere griechische Wörter.«
»Also«, sagte der Poet, »ist der Brief von einem Griechen geschrieben worden, der jedoch die Griechen sehr schlecht behandelt. Das verstehe ich nicht.«
Unterdessen hatte Abdul das Pergament in die Hand
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genommen. »Da ist noch mehr«, sagte er. »Wo wir die
Pfefferernte erwähnt haben, werden noch weitere Einzelheiten genannt. Hier ist hinzugefügt worden, daß es im Reich des Johannes nur wenige Pferde gibt. Und hier, wo wir nur die Salamander genannt haben, heißt es, daß sie eine Art von Würmern sind, die sich mit einem Häutchen umgeben wie die Würmer, welche die Seide hervorbringen, und daß diese
Häutchen von den Frauen des Palastes bearbeitet werden, um daraus königliche Kleider und Tücher zu machen, die sich nur in lodernden Flammen waschen lassen.«
»Was, was?« fragte Baudolino alarmiert.
»Und schließlich«, fuhr Abdul fort, »stehen hier in der Liste der Wesen, die das Reich bewohnen, zwischen den Menschen mit Hörnern, Faunen, Satyrn, Pygmäen und Kynozephalen auch Methagallinarii, Cametheterni und Thinsiretae, lauter Kreaturen, die wir nicht genannt haben.«
»Bei der gottgebärenden Jungfrau!« rief Baudolino aus. »Die Geschichte mit den Würmern hat mir Zosimos erzählt! Und es war Zosimos, der mir gesagt hat, daß es laut Kosmas
Indikopleustes in Indien keine Pferde gibt! Und es war auch Zosimos, der mir die Methagallinarii und diese anderen Viecher hier genannt hat! O dieser Hurensohn, dieser verfluchte Dreckskerl, dieser Dieb, Betrüger, Fälscher, Verräter, Heuchler, Lügner, Lüstling, Wüstling, Halunke, Strolch, Straßenräuber, Verbrecher, Ketzer, Gotteslästerer, Wucherer, Sodomit,
Simonist, Zwietrachtstifter und Tückebold!«
»Was hat er dir denn getan?«
»Versteht ihr noch immer nicht? An dem Abend, als ich ihm den Brief gezeigt hatte, da hat er mich betrunken gemacht und sich eine Abschrift angefertigt! Dann ist er zu seinem
verdammten Basileus zurück, hat ihm eingeblasen, daß Friedrich dabei sei, sich als Freund und Erbe des Priesters Johannes zu
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offenbaren, und da haben sie gemeinsam einen anderen Brief aufgesetzt, der an Manuel gerichtet ist, und sind uns
zuvorgekommen, bevor wir unseren in Umlauf gebracht haben.
Deswegen gibt er sich hier so hochnäsig gegenüber dem
Basileus, damit einem nicht der Verdacht kommt, daß er von seiner eigenen Kanzlei produziert worden ist! Deswegen enthält er so viele griechische Wörter, damit der Eindruck entsteht, dies sei die lateinische Übersetzung eines griechischen Originals von Johannes. Aber er ist auf Lateinisch abgefaßt worden, denn er soll ja nicht den byzantinischen Basileus überzeugen, sondern die Kanzleien der lateinischen Herrscher und den Papst!«
»Hier ist noch etwas, das wir übersehen haben«, sagte Kyot.
»Erinnert euch an die Sache mit dem Gradal, den der Priester dem Kaiser schicken wollte: Wir hatten uns sehr zurückhaltend ausgedrückt und nur eine echte Lade, veram arcam, erwähnt...
Hast du darüber mit Zosimos gesprochen?«
»Nein«, sagte Baudolino, »darüber habe ich geschwiegen.«
»Siehst du, und dein Zosimos hat hier yerarcam geschrieben.
Der Priester schickt dem Basileus ein yerarcam.«
»Und was soll das sein?« fragte der Poet.
»Das weiß Zosimos selber nicht«, sagte Baudolino. »Seht euch mal unser Original an: An dieser Stelle ist Abduls Schrift nicht gut leserlich. Zosimos hat nicht verstanden worum es geht, er dachte wohl, es handle sich um ein seltenes, geheimnisvolles Geschenk, von dem nur wir Kenntnis hätten, und so erklärt sich dieses seltsame Wort; O Mist, verdammter! Alles meine Schuld, weil ich ihm vertraut habe! Was für eine Schande, wie soll ich das bloß dem Kaiser erklären?«
Es war nicht das erste Mal, daß sie Lügen erzählten. Sie erklärten dem Kanzler und Friedrich, daß der Brief
offensichtlich von jemandem aus der Kanzlei Manuels verfaßt
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worden
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