Baudolino
selten zu der Überzeugung, daß, auch wenn er selbst nicht an den Teufel glaubt, der Teufel bestimmt an ihn glaubt. Beim Anblick einer Schar von Lemuren, die vor ihm erschien, als sei es der Tag des Jüngsten Gerichts, so plump das Ganze auch sein mochte, reagierte Zosimos mit exemplarischer Spontaneität: Ohne auch nur zu versuchen, seine Gefühle zu verbergen, verlor er die Besinnung und fiel in Ohnmacht.
Er kam wieder zu sich, als der Poet ihn mit
zukunftskündendem Wasser besprengte. Er schlug die Augen auf und fand sich eine Handbreit entfernt von der Nase eines Baudolino, der schrecklicher aussah, als wenn er ein Rückkehrer aus der anderen Welt gewesen wäre. In diesem Augenblick wurde Zosimos klar, daß ihn nicht die Flammen einer
-317-
unbestimmten Hölle erwarteten, sondern unweigerlich die sehr bestimmte Rache seines alten Opfers.
»Es war nur, um meinem Herrn zu dienen«, beeilte er sich zu sagen, »und es war auch, um dir einen Dienst zu erweisen. Ich habe deinen Brief besser in Umlauf gesetzt, als du es hättest tun können...« Darauf sagte Baudolino: »Zosimos, nicht aus
Bosheit, aber wenn ich tun müßte, was mir der Herr eingibt, dann müßte ich dir sämtliche Knochen im Leibe brechen. Da das jedoch sehr mühsam wäre, halte ich mich, wie du siehst, zurück.« Sprach's und gab ihm einen Hieb mit dem Handrücken, der ihm den Kopf zweimal um sich selbst kreisen ließ.
»Ich bin ein Mann des Basileus, wenn ihr mir auch nur ein Barthaar krümmt, schwöre ich euch...« Der Poet packte ihn an den Haaren, näherte sein Gesicht den Flämmchen, die immer noch rings um das Becken brannten, und Zosimos Bart begann zu qualmen.
»Ihr seid verrückt«, rief Zosimos, während er sich der
Umklammerung durch Abdul und Kyot zu entwinden versuchte, die ihm jedoch die Arme auf den Rücken drehten. Um den
Brand des Bartes zu löschen, drückte ihm Baudolino von hinten den Kopf ins Becken und hielt ihn dort so lange fest, bis der Elende, nicht mehr wegen des Feuers besorgt, sich wegen des Wassers zu sorgen begann und, je mehr er sich sorgte, desto mehr davon schluckte.
»Den Bläschen, die du hast aufsteigen lassen«, sagte
Baudolino feierlich, während er ihn an den Haaren hochzog,
»entnehme ich die Wahrsagung, daß du heute nacht nicht mit brennendem Bart, sondern mit gerösteten Füßen sterben wirst.«
»Baudolino«, japste Zosimos, Wasser spuckend, »Baudolino, wir können uns immer noch einigen... Laß mich husten, ich bitte dich, ich kann euch nicht entkommen, was wollt ihr machen, so viele gegen einen, habt ihr kein Erbarmen? Hör zu, Baudolino,
-318-
ich weiß, du willst dich nicht rächen, weil ich diesen kleinen Moment der Schwäche gehabt habe, du willst das Land jenes Priesters Johannes finden, und ich habe dir gesagt, daß ich die richtige Karte habe, um dort hinzugelangen. Wenn man Erde ins Kaminfeuer wirft, löscht man das Feuer.«
»Was soll das heißen, Halunke? Laß deine Sentenzen.«
»Es soll heißen, wenn du mich umbringst, kriegst du die Karte nie. Oft springen die Fische, wenn sie im Wasser spielen, aus dem Wasser hinaus in die Luft und verlassen die Grenzen ihrer natürlichen Heimstatt. Schließen wir einen Pakt als ehrliche Menschen. Du läßt mich laufen, und ich führe dich dahin, wo sich die Karte des Kosmas Indikopleustes befindet. Mein Leben für das Reich des Priesters Johannes. Ist das nicht ein guter Handel?«
»Ich würde dich lieber umbringen«, sagte Baudolino, »aber ich brauche dich lebend, um die Karte zu kriegen.«
»Und dann?«
»Dann wickeln wir dich gut zusammengebunden in einen
Teppich und lassen dich da, bis wir ein sicheres Schiff gefunden haben, das uns von hier fortbringt, und erst wenn wir weit genug fort sind, entrollen wir den Teppich, denn wenn wir dich sofort rausließen, würdest du uns alle Meuchelmörder der Stadt auf den Hals schicken.«
»Und ihr entrollt ihn ins Wasser...«
»Hör auf mit dem Quatsch, wir sind keine Mörder. Wenn ich dich umbringen wollte, würde ich dich jetzt nicht ohrfeigen.
Aber sieh her, genau das tue ich jetzt, um mir eine Genugtuung zu verschaffen, denn mehr gedenke ich nicht zu tun.« Mit diesen Worten begann er in aller Ruhe, ihm zuerst eine und dann eine zweite Ohrfeige zu geben, abwechselnd mit der rechten und mit der linken Hand, so daß der Kopf einmal nach links und einmal
-319-
nach rechts flog, und dann so weiterzuschlagen, zweimal mit der flachen Hand, zweimal mit gestreckten Fingern, zweimal mit
Weitere Kostenlose Bücher