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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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untergehenden Sonne Überfluß hat«, sagte Praxeas mit glänzenden Augen,
    »und gelobt sei der Himmel, daß ich sie sehen darf, bevor ich dieses Jammertal verlasse!«
    »Kannst du nicht irgendwann mal dein Schandmaul halten?«
    zischelte der Boidi dem Poeten von hinten ins Ohr und boxte
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    ihm in den Rücken. »Wenn nun Zosimos auftaucht, und sie sehen, daß er noch abgebrannter ist als wir?«
    »Sei still«, knurrte der Poet schiefmäulig zurück, »wir haben doch schon gesagt, daß der Dämon im Spiel ist, und der hat eben alles verschlungen. Alles außer dem Gradal.«
    »Aber wenigstens ein Geschenk, irgendein Gastgeschenk
    brauchten wir jetzt, um ihnen zu zeigen, daß wir keine Bettler sind«, zischelte der Boidi weiter.
    »Vielleicht ein Täuferkopf?« erwog Baudolino.
    »Wir haben nur noch fünf«, sagte der Poet, immer ohne die Lippen zu bewegen, »aber was soll's, solange wir im Reich sind, können wir die vier anderen ohnehin nicht hervorziehen.«
    Baudolino wußte als einziger, daß es mit dem, den er sich von Abdul genommen hatte, noch sechs Köpfe waren. Er holte einen davon aus seinem Reisegepäck, überreichte ihn Praxeas und sagte dazu, einstweilen - in Erwartung des Ebenholzes, der Leoparden und all der anderen schönen Sachen - möge er dem Diakon die einzige auf dieser Erde noch verbliebene Erinnerung an denjenigen überreichen, der Unseren Herrn Jesus Christus getauft habe.
    Bewegt nahm Praxeas das Geschenk entgegen, das in seinen Augen unschätzbar sein mußte, schon wegen des schimmernden Schreins, der, wie er meinte, gewiß aus jener kostbaren gelben Substanz war, von der er schon soviel Fabelhaftes gehört hatte.
    Begierig, die heilige Reliquie zu verehren, und mit der Miene dessen, der jedes dem Diakon gemachte Geschenk als sein Eigentum betrachtete, klappte er den Kopf mühelos auf (woran Baudolino sah, daß es der von Abdul mit dem schon
    aufgebrochenen Siegel war), nahm den
    zusammengeschrumpften bräunlichen Schädel, das Werk des ingeniösen Ardzrouni heraus, hielt ihn hoch und rief mit gebrochener Stimme, noch nie im Leben habe er eine so
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    kostbare Reliquie betrachtet.
    Dann fragte der Obereunuch, mit welchen Namen er seine
    ehrwürdigen Gäste ansprechen solle, nachdem die Tradition ihnen schon so viele zugewiesen habe und niemand mehr wisse, welche die richtigen seien. Sehr vorsichtig antwortete
    Baudolino, zumindest bis sie in Gegenwart des Priesters seien, wünschten sie, mit denjenigen Namen angesprochen zu werden, unter welchen man sie im fernen Abendland kenne, und nannte die wahren Namen der elf Reisenden. Praxeas schätzte den evokativen Klang der Namen Ardzrouni und Boidi, fand
    Baudolino, Colandrino und, Scaccabarozzi sehr musikalisch und träumte von exotischen Ländern, als er die Namen Porcelli und Cuttica hörte. Er sagte, er respektiere ihre Zurückhaltung, und schloß: »Nun tretet ein. Es ist spät geworden, der Diakon kann euch erst morgen empfangen. Heute seid ihr meine Gäste, ich versichere euch, es wird ein Bankett geben, das ihr reicher und üppiger nie erlebt habt, und ihr werdet Köstlichkeiten so erlesener Art genießen, daß ihr voller Verachtung an jene zurückdenkt, die euch in den Ländern der untergehenden Sonne vorgesetzt worden sind.«
    »Dabei sind sie in solche Lumpen gekleidet, daß eine von unseren Frauen den eigenen Mann gekreuzigt hätte, um was Besseres zu kriegen«, knurrte der Poet. »Wir sind losgezogen und haben erlitten, was wir erlitten haben, um Kaskaden von Edelsteinen zu sehen. Als wir den Brief des Priesters schrieben, konntest du das Wort Topas nicht mehr hören, und jetzt sitzen die hier mit zehn Kieselsteinchen und vier bunten Kordeln und meinen, sie seien die Reichsten der Welt!«
    »Sei still und wart's ab«, knurrte Baudolino zurück.
    Praxeas schritt ihnen voran ins Innere des Turms und führte sie in einen fensterlosen Saal, der von Glutbecken auf Dreifüßen erleuchtet wurde. In der Mitte lag ein Teppich, der mit Bechern und Schüsseln aus Ton vollgestellt und mit Kissen umgeben
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    war, auf denen sich die Bankettgäste im Schneidersitz
    niederließen. Serviert wurde von Jünglingen, sicher gleichfalls Eunuchen, deren halbnackte Körper mit wohlriechendem Öl eingerieben waren. Sie reichten zunächst Schalen mit
    aromatischen Flüssigkeiten, in welche die Eunuchen ihre Finger tauchten, um sich diese sodann an Ohrläppchen und
    Nasenlöcher zu führen. Nachdem sie sich so benetzt hatten, streichelten sie die

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