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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Der Vater sei doch unbestreitbar das Vollkommenste und am weitesten von uns Entfernte, was es im Universum geben könne, nicht wahr? Wie könne er dann einen Sohn gezeugt haben? Die Menschen zeugten Söhne, um in ihren Nachkommen weiterzuleben, auch noch in jener Zeit, die sie nicht mehr selber erleben würden, weil ihr Tod
    dazwischengekommen sei. Aber ein Gott, der es nötig habe, einen Sohn zu zeugen, wäre nicht schon von Anbeginn aller Zeiten vollkommen. Und wenn der Sohn schon immer
    zusammen mit dem Vater existiert hätte, als Teil derselben göttlichen Substanz oder Natur oder wie immer man das nennen wolle (hier geriet Gavagai durcheinander und nannte griechische Begriffe wie ousia, hypostasis, physis und hyposopon, die auch Baudolino nicht klar auseinanderhalten konnte), dann hätten wir den unglaublichen Fall, daß ein Gott, der qua Definition ungezeugt ist, seit Anbeginn der Zeiten gezeugt wäre.
    Infolgedessen sei der Logos, den der Vater zeuge, auf daß er sich um die Erlösung der Menschheit kümmere, nicht von
    derselben Substanz wie der Vater: Er werde später gezeugt, sicher vor der Erschaffung der Welt und auf höherer Stufe als jede andere Kreatur, aber ebenso sicher auf niedrigerer als der Vater. Der Christus sei gewiß nicht irgendeine Potenz wie die Heuschrecke, er sei vielmehr eine große Potenz, aber er sei erstgeboren und nicht eingeboren.
    »Demnach ist für euch der Sohn«, fragte Baudolino, »nur vom Vater adoptiert und folglich nicht Gott?«
    »Nein, aber trotzdem Allerheiligster, so wie Allerheiligster Diakon, der ja Adoptivsohn von Priester. Wenn funktioniere mit
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    Priester, warum soll nicht auch funktioniere mit Gott? Ich gehört, daß Poet Blemmys gefragt, warum Jesus, wenn bloß Phantasma, Angst gehabt in Garten Gethsemane und geklagt an Kreuz. Blemmys, die schlecht denke, nicht wisse, was darauf antworten. Richtige Antwort: Jesus nicht Phantasma, sondern Adoptivsohn, und Adoptivsohn kann nicht alles so wissen wie Vater. Du versteh? Sohn nicht homoousios, von gleichem
    Wesen wie Vater, sondern homoiousios, von ähnlichem Wesen.
    Wir nicht Häretiker wie Anomöer, die behaupte, daß Logos nicht einmal wesensähnlich dem Vater, sondern ganz anders.
    Aber zum Glück wir habe hier in Pndapetzim keine Anomöer.
    Die denke noch schlechter als alle andern.«
    Da Baudolino, als er diese Geschichte erzählte, auch gesagt hatte, daß unsere Freunde sich weiter fragten, was es denn für einen Unterschied mache, ob Christus homoousios oder
    homoiousios sei und ob Gott sich auf zwei kleine Wörter reduzieren lasse, hatte Niketas lächelnd gesagt: »Das macht einen Unterschied, o ja, das macht einen Unterschied! Vielleicht sind diese Streitfragen bei euch im Westen vergessen worden, aber im Reich von uns Römern hat man sie lange diskutiert, und es hat Leute gegeben, die wegen solcher Nuancen
    exkommuniziert, verbannt oder sogar getötet worden sind. Was mich überrascht, ist, daß diese Diskussionen, die bei uns seit langem unterdrückt worden sind, dort noch weiterleben.«
    Und im stillen dachte er: Ich habe immer Zweifel, ob dieser Baudolino mir nicht Lügenmärchen erzählt, aber ein halber Barbar wie er, der unter Alemannen und Langobarden gelebt hat, denen es schwerfällt, zwischen der Heiligen Dreifaltigkeit und Karl dem Großen zu unterscheiden, der könnte diese Dinge nicht wissen, wenn er sie nicht dort gehört hätte. Oder hat er sie vielleicht woanders gehört? Immer wieder wurden unsere
    Freunde zu den widerwärtigen Festessen bei Praxeas eingeladen.
    Ermutigt vom burq, mußten sie dabei wohl gegen Ende des
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    Mahles gelegentlich Dinge gesagt haben, die sich für Magier kaum geziemten, und im übrigen hatte Praxeas inzwischen Vertrauen zu ihnen gefaßt.
    So kam es, daß er eines Abends, als er und sie reichlich getrunken hatten, zu ihnen sagte: »Meine hochgeschätzten Herren Gäste, ich habe lange über jedes Wort nachgedacht, das ihr seid eurer Ankunft hier gesprochen habt, und mir ist klargeworden, daß ihr niemals behauptet habt, die Magier zu sein, die wir erwartet haben. Ich glaube zwar immer noch, daß ihr es seid, aber wenn ihr es zufällig, ich sage zufällig, nicht sein solltet, wäre es nicht eure Schuld, daß alle es glauben. In jedem Fall, erlaubt mir, wie ein Bruder mit euch zu sprechen. Ihr habt gesehen, was für ein Ketzernest Pndapetzim ist und wie schwer es ist, dieses Monsterpack ruhigzuhalten, einerseits mit der Angst vor den Weißen Hunnen und

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