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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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heiligen Sarapion, dem sie die Haut abzogen, den heiligen Mopsuestios, den sie mit Armen und Beinen an vier rasende Pferde banden und vierteilten, den heiligen Dracontios, den sie zwangen, kochendes Pech zu trinken... Mir schien, daß ihm diese Greuel eine gewisse Erleichterung verschafften, aber dann fürchtete ich, übertrieben zu haben, und ging dazu über, ihm die weiteren Schönheiten der Welt zu beschreiben, die den Gefangenen schon erquickten, wenn er bloß an sie dachte: die Anmut der jungen Pariserinnen, den trägen Liebreiz der venezianischen Dirnen, den
    unvergleichlichen Duft einer Kaiserin, das kindliche Lachen meiner Colandrina, die Augen einer fernen Prinzessin.. Er geriet in Erregung, wollte mehr davon hören, fragte nach dem Haar der Gräfin Melisande von Tripoli, nach den Lippen jener
    strahlenden Schönheiten, die die Ritter von Broceliande mehr verzauberten als der Gradal; et erregte sich, Gott vergebe mir, aber ich glaube, daß er ein- oder zweimal eine Erektion hatte und das Vergnügen des Samenergusses erlebte. Und damit nicht genug, versuchte ich ihm begreiflich zu machen, wie reich das Universum an betörenden Düften ist, und da ich keine
    Duftstoffe bei mir trug, versuchte ich mich an die Namen
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    sowohl derer zu erinnern, die ich kennengelernt hatte, als auch an die, die ich nur dem Namen nach kannte, in der Annahme, daß diese Namen ihn betäubten wie die Gerüche, und so nannte ich ihm den Moschus, den Balsam, den Weihrauch, die Narde, den Bocksdorn, die Röhrenkassie, der Sandarak, das Sandelholz, den Safran, den Ingwer, den. Kardamom, das Zinnamom, den Lorbeer, den Majoran, den Koriander, den Dill, den Estragon, den Nelkenpfeffer, den Sesam, den Mohn, die Muskatnuß, das Zitronellgras, die Kurkuma und den Kümmel. Der Diakon hörte mir voller Entzücken zu, schlug sich die Hände vors Gesicht, als ob seine arme Nase all diese Gerüche gar nicht ertragen könnte, fragte schluchzend, was diese vermaledeiten Eunuchen ihm bisher zu essen gegeben hätten unter dem Vorwand, er sei krank, immer nur Ziegenmilch und in burq getunktes Brot, von dem sie behaupteten, es sei gut für die Lepra, und so habe er seine Tage benebelt verbracht, fast immer schlafend und tagaus, tagein mit demselben Geschmack im Munde.«
    »Du hast seinen Tod beschleunigt, indem du ihn zur Raserei und zur äußersten Aufreizung aller Sinne gebracht hast. Und zugleich hast du deine Lust am Fabulieren befriedigt, du warst stolz auf deine Erfindungen.«
    »Vielleicht, aber für das bißchen, was er noch zu leben hatte, habe ich ihn glücklich gemacht. Und außerdem, ich habe dir von unseren Gesprächen erzählt, als hätten sie alle an einem Tag stattgefunden, aber inzwischen hatte sich auch in mir eine neue Flamme entzündet, und ich lebte in einem ständigen
    Hochgefühl, das ich auf ihn zu übertragen suchte, indem ich ihm in verkleideter Form einen Teil meines Glücks weitergab. Ich war Hypatia begegnet.«
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    32. KAPITEL

    BAUDOLINO SIEHT EINE DAME
    MIT EINHORN
    »Vorher war da noch die Geschichte mit der Armee der
    Monster, Kyrios Niketas. Die Angst vor den Weißen Hunnen wuchs und wurde immer bedrückender, denn ein Skiapode, der bis zu den äußersten Grenzen der Provinz gelangt war (diese Wesen liefen manchmal riesige Strecken, als ob ihr Wille von ihrem unermüdlichen Fuß beherrscht wurde), erzählte bei der Rückkehr, er habe sie gesehen: Gelbgesichter mit lang
    herunterhängenden Schnauzbärten, klein von Statur, auf
    ebenfalls kleinen, aber sehr schnellen Pferden, mit denen sie zu einem einzigen Körper zusammengewachsen schienen. Sie
    zögen in Horden durch Wüsten und Steppen und hätten außer ihren Waffen nichts anderes bei sich als eine lederne Flasche für die Milch und einen kleinen Tontopf, in dem sie kochten, was sie unterwegs fanden, aber sie könnten tagelang reiten, ohne etwas zu essen noch zu trinken. Sie hätten die Karawane eines Kalifen angegriffen, die gerade ihr Lager aufschlug, mit Sklaven, Odalisken, Kamelen und prächtigen Zelten. Die
    Krieger des Kalifen seien den Hunnen entgegengeritten, sie seien schön und schrecklich anzusehen gewesen, riesige
    Männer, die auf ihren Kamelen dahinpreschten, bewaffnet mit schreckenerregenden Krummsäbeln. Vor diesem Ansturm seien die Hunnen scheinbar zurückgewichen, um die Verfolger hinter sich herzuziehen, dann hätten sie plötzlich kehrtgemacht, seien im Kreis um die Feinde herumgeritten und hätten sie wild schreiend niedergemetzelt.

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