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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Im schlimmsten Fall hätten sie vielleicht, mißtrauisch, wie sie waren, sofort die höchste Macht ergriffen und damit ebenfalls alle
    Verteidigungspläne des Poeten umgeworfen. Also auf in den Krieg, sagte ich mir. Auch wenn ich immer ein Mann des
    Friedens gewesen war diesmal ging es darum, das noch
    ungeborene Wesen zu verteidigen.«
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    35. KAPITEL

    BAUDOLINO GEGEN DIE
    WEIßEN HUNNEN
    Seit Monaten war der Plan in allen Einzelheiten ausgefeilt worden. Hatte sich der Poet bei der Ausbildung seiner Truppen als guter Hauptmann erwiesen, so hatte Baudolino eine
    Begabung als Stratege an den Tag gelegt. Gleich am Stadtrand erhob sich der höchste jener von weitem wie Sahnekegel
    aussehenden Hügel, die sie als erstes bei der Ankunft gesehen hatten. Von dort oben beherrschte man die ganze Ebene bis zu den Bergen im Osten und bis über den Rand des Farnwalds hinaus im Norden und Westen. Von dort aus würden Baudolino und der Poet die Bewegungen ihrer Krieger leiten. Eine Schar ausgewählter Skiapoden, angeführt von Gavagai, würde ihnen schnellste Kommunikation mit den diversen Truppenteilen erlauben.
    Die Ponkier sollten sich über verschiedene Punkte der Ebene verteilen, um mit ihrem hochempfindlichen Brustorgan die Bewegungen des Gegners zu erspüren und, wie vereinbart, Rauchsignale zu geben.
    Ganz vorn, fast am äußersten Rand der Farnwaldes, sollten die Skiapoden bereitstehen, um unter dem Kommando des Porcelli unversehens vor den Invasoren aufzutauchen und mit ihren Blasrohren vergiftete Pfeile auf sie zu schießen. Nachdem die Reihen der Feinde durch diesen ersten Ansturm gelichtet sein würden, sollten hinter den Skiapoden die Giganten aufspringen, geführt von Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula, um sich
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    ihrer Pferde anzunehmen, aber, so hatte ihnen der Poet
    eingeschärft, solange sie nicht den Befehl zum Angriff erhielten, sollten sie sich auf allen vieren bewegen.
    Sollte es einem Teil der Feinde gelingen, die Barriere der Giganten zu überwinden, so würden von zwei Seiten der Ebene her einerseits die Pygmäen, geführt von Boidi, und andererseits die Blemmyer unter der Führung von Cuttica in Aktion treten.
    Durch den Pfeilhagel der Pygmäen zur anderen Seite
    getrieben, würden die Hunnen dort auf die Blemmyer stoßen, die, noch ehe sie zwischen den Farnen entdeckt wären, mit ihren Steinmessern unter die Pferde schlüpfen könnten.
    Keiner von ihnen durfte jedoch zuviel riskieren. Sie sollten dem Feind ernste Verluste zufügen, aber die eigenen so gering wie möglich halten. Denn die Hauptwaffe in dieser Strategie waren die Nubier, die in der Mitte der Ebene warten sollten. Die Hunnen würden die ersten Zusammenstöße sicherlich
    überstehen, aber sie würden vor den Nubiern angeschlagen eintreffen, zahlenmäßig verringert und voller Wunden, und ihre Pferde würden sich zwischen den hohen Farnen nicht allzu schnell bewegen können. An diesem Punkt würden die
    kriegerischen Circumcellionen mit ihren todbringenden Keulen und ihrer legendären Verachtung der Gefahr zum Einsatz
    kommen.
    »Einverstanden, zuschlagen und wegrennen ist die Parole«, sagte der Boidi, »die unüberwindliche Schranke werden die tapferen Circumcellionen sein.«
    »Und ihr«, mahnte der Poet, »wenn die Hunnen bei euch
    durchgebrochen sind, müßt ihr sofort wieder eure Reihen schließen und euch zu einem Halbkreis auffächern, der
    mindestens eine halbe Meile lang ist. So daß, wenn die Feinde auf ihren kindischen Trick mit der vorgetäuschten Flucht zurückgreifen, um die Verfolger zu umzingeln, ihr dann statt
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    dessen sie in die Zange nehmt, während sie euch direkt in die Arme laufen. Achtet darauf, daß keiner von ihnen am Leben bleibt. Ein besiegter Feind, der überlebt, sinnt früher oder später auf Rache. Sollte es einigen doch gelingen, euch und den Nubiern zu entkommen und in Richtung der Stadt
    durchzubrechen, dann stehen dort die Panothier bereit, um von oben über sie zu kommen, und einer solchen Überraschung hält keiner stand.«
    Versehen mit einer Strategie, die so gründlich durchgeplant war, daß nichts dem Zufall überlassen blieb, versammelten sich die Kohorten nachts im Zentrum der Stadt, um im Licht der ersten Sterne in die Ebene hinauszuziehen, jede angeführt von ihrem jeweiligen Priester und jede in ihrer Sprache das Vaterunser singend, so daß ein majestätischer Chor entstand, wie man ihn nicht einmal bei den feierlichsten Prozessionen in Rom je gehört hatte: Mael nio, kui

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