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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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geträumt.
    Wenn ich morgens aufgewacht bin, habe ich gedacht, das wird ein schöner Tag, weil du irgendwo in der Nähe warst. Dann habe ich dich nicht gesehen und dachte, der Tag wird häßlich.
    Es ist seltsam, gewöhnlich lacht man, wenn man glücklich ist, und weint, wenn man leidet, aber mir passiert es neuerdings, daß ich im gleichen Augenblick lache und weine. Bin ich vielleicht krank? Dann ist es jedoch eine wunderschöne Krankheit. Ist es recht, seine eigene Krankheit zu lieben?«
    »Du bist hier die Magistra, liebste Freundin«, sagte Baudolino lächelnd, »du darfst mich nicht fragen, auch weil ich, glaube ich,
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    dieselbe Krankheit habe.«
    Hypatia streckte eine Hand aus und berührte erneut seine Narbe. »Du mußt etwas Gutes sein, Baudolino, weil es mir angenehm ist, dich zu berühren, wie es mir bei Akazio geht.
    Berühre auch du mich, vielleicht kannst du einen Funken wecken, der noch in mir ist und von dem ich nichts weiß.«
    »Nein, mein Liebling, ich habe Angst, daß ich dir weh tue.«
    »Berühre mich hier hinterm Ohr. Ja, so, noch mal... Vielleicht kann man durch dich einen Gott herbeirufen. Du müßtest
    irgendwo das Zeichen haben, das dich mit etwas anderem
    verbindet...«
    Sie schob die Hände unter sein Gewand und ließ die Finger über seine Brusthaare gleiten. Sie kam näher, um an ihm zu riechen. »Du bist voller Gras, voller gutem Gras«, sagte sie.
    Und weiter: »Wie schön du dich anfühlst, du bist weich wie ein junges Tier. Bist du jung? Ich weiß nichts über das Alter eines Menschen. Bist du jung?«
    »Ich bin jung, mein Liebling, ich werde gerade geboren.«
    Er strich ihr jetzt fast mit Gewalt durchs Haar, sie legte ihm die Hände in den Nacken, dann fing sie an, ihm kleine
    Zungenstöße ins Gesicht zu versetzen, und leckte ihn ab, als ob er ein Zicklein wäre, dann lachte sie, während sie ihm aus nächster Nähe in die Augen sah, und sagte, er schmecke salzig.
    Baudolino war nie ein Heiliger gewesen, er drückte sie an sich und suchte mit den Lippen nach ihren Lippen. Sie stieß einen halb erschrockenen, halb überraschten Laut aus und versuchte sich ihm zu entziehen, dann gab sie nach. Ihr Mund schmeckte nach Pfirsich und Aprikose, ihre Zunge pochte mit kurzen Stößen an seine, die sie zum ersten Mal kostete.
    Baudolino stieß sie zurück, aber nicht aus Tugend, sondern um seine Kleider abzustreifen, sie erblickte sein Glied, berührte es
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    mit den Fingern, spürte, daß es lebendig war, und sagte, daß sie es wolle. Es war klar, daß sie nicht wußte, wie und warum sie es wollte, aber irgendeine Macht des Waldes oder der Quellen sagte ihr, was sie tun mußte. Baudolino fing wieder an, sie mit Küssen zu bedecken, er glitt von den Lippen abwärts zum Hals, dann zu den Schultern, während er langsam ihr Kleid abstreifte, er legte ihre Brüste frei, tauchte sein Gesicht hinein, und dabei fuhr er mit den Händen fort, ihr Kleid abzustreifen, die Hüften hinunter, er fühlte den straffen kleinen Bauch, betastete den Nabel, stieß früher, als er erwartet hatte, auf das, was der Flaum sein mußte, der ihr höchstes Gut bedeckte. Sie nannte ihn flüsternd mein Aon, mein Tyrann, mein Abyssos, meine
    Ogdoas, mein Pleroma...
    Baudolino schob die Hände unter das Kleid, das sie noch verhüllte, und fühlte, daß jener Flaum, der ihren Schoß anzukündigen schien, sich verdichtete, den Ansatz ihrer Beine bedeckte, die Innenseite der Schenkel, sich fortsetzte zum Gesäß... »Kyrios Niketas, ich riß ihr das Kleid herunter und sah.
    Vom Bauch an abwärts war Hypatia ziegengestaltig, und ihre Beine endeten in zwei elfenbeinfarbenen Hufen. Mit einem Schlag begriff ich, warum sie, wenn sie vom Kleid bis zum Boden verhüllt war, nicht so zu gehen schien wie jemand, der die Füße aufsetzt, sondern leicht dahinglitt, fast als berühre sie gar nicht den Boden. Und ich begriff, wer die Befruchter waren: die Satyrn-die-man-nie-sah, Wesen mit gehörnten
    Menschenköpfen und Widderleibern, die Satyrn, die seit
    Jahrhunderten im Dienst der Hypatien lebten, denen sie die weiblichen Sprößlinge überließen, während sie die männlichen selbst aufzogen, letztere mit dem gleichen abstoßenden Gesicht wie sie, die anderen immer noch mit der ägyptischen Anmut der schönen Hypatia, der antiken, und ihrer ersten Schülerinnen.«
    »Welch ein Grauen!« sagte Niketas.
    »Grauen? Nein, das war es nicht, was ich in jenem Moment
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    empfand. Überraschung ja, aber nur einen kurzen

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