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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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erster Gedanke war: Da sieht man's wieder, wenn die Leute aus dieser Gegend was machen, dann machen sie's entweder schlecht oder noch schlechter, nun sieh dir bloß mal an, wie die arbeiten, wenn ich hier der Meister wäre, ich hätte sie längst allesamt am Hosenboden gepackt und in den Tanaro geworfen! Aber dann sah er ein Stück weiter hinten einen anderen Trupp, der sich anschickte, eine kleine Loggia zu bauen, mit roh behauenen Steinen, roh
    zugeschnittenen Balken und Kapitellen, die von einem wilden Tier gestaltet schienen. Auch sie hatten eine Art Flaschenzug konstruiert, um das Material emporzuhieven, und bei seinem Anblick fand Baudolino, daß verglichen mit diesen die anderen vorhin große Meister waren.
    Schließlich hörte er auf, Vergleiche anzustellen, als er kurz darauf andere sah, die so bauten, wie Kinder es tun, wenn sie mit nassen Erdenbatzen, und sie legten gerade letzte Hand - es waren eher letzte Fußtritte an ein Bauwerk, das drei anderen glich, die daneben standen, alle aus Lehm und unförmigen Steinen mit Dächern aus schlecht zusammengepreßtem Stroh, so daß eine Art Gasse mit rasch hingeschluderten Bauten entstand, als trügen die Arbeiter einen Wettstreit aus, wer zuerst fertig war. ohne sich im geringsten um die Regeln des Handwerks zu kümmern.
    Als er jedoch tiefer in die unfertigen Windungen dieser noch mitbestimmten Anlage eindrang, entdeckte er da und dort auch gutgebaute, geradwinklige Mauern, ordentlich ausgerichtete Fassaden, und Bastionen, die, obwohl noch unvollendet, einen massiven und durchaus schutzgewährenden Eindruck machten.
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    Aus alledem war zu entnehmen, daß offenbar Leute
    verschiedener Herkunft und Geschicklichkeit zum Bau dieser Stadt zusammengekommen waren, und wenn viele sicher noch Neulinge in diesem Handwerk waren, Bauern, die Häuser
    bauten, wie sie ihr Leben lang Hundehütten und Ziegenställe gebaut hatten, mußten andere doch schon eine gewisse
    Erfahrung haben.
    Während er sich in dieser Vielfalt von Tätigkeiten zu
    orientierten versuchte, entdeckte Baudolino auch eine Vielfalt von Dialekten - an denen zu erkennen war, daß jenes Häufleim armseliger Hütten von Dörflern aus Solero gebaut wurde und jener krumme Turm von Leuten aus dem Montferrat, daß es Pavesaner waren, die jenen suppigen Mörtelbrei anrührten, und Holzfäller aus der Palea, die jene Bretter sägten. Wann immer er jedoch jemanden Befehle erteilen hörte oder einen Trupp sah, der ordentlich arbeitete, hörte er genuesischen Dialekt.
    »Bin ich hier mitten in den Turmbau zu Babel
    hineingeraten«..., fragte sich Baudolino, »oder in Abduls Hibernia, wo zweiundsiebzig Weise die Sprache Adams
    rekonstruierten, indem sie alle Idiome zusammenrührten, wie man Wasser und Lehm oder Pech und Teer zusammenrührt?
    Aber hier sprechen sie noch nicht die Sprache Adams, und obwohl sie alle zusammen bestimmt zweiundsiebzig Sprachen sprechen, Menschen so unterschiedlicher Herkunft, daß sie sich gewöhnlich gegenseitig an die Gurgel fahren, sind sie hier alle in Liebe und Eintracht am Werk.«
    Er näherte sich einem Trupp, der gerade dabei war, einem Bau mit gekonnten Griffen ein Dachgebälk aufzusetzen, als handle es sich um eine Abteikirche, wobei die Arbeiter eine große Winde benutzten, die nicht von Menschenhand gedreht wurde, sondern von einem Zugpferd, das aber kein Joch mit einem Halsgurt trug, durch den ihm die Kehle eingeschnürt würde, wie es noch in manchen Gegenden üblich war, sondern ein
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    bequemes Kummetjoch, so daß es mit voller Kraft ziehen
    konnte. Die Arbeiter gaben eindeutig genuesische Laute von sich, und Baudolino sprach sie sofort in ihrer Sprache an, wenn auch nicht so perfekt, daß sie ihn für einen der ihren hielten.
    »Was macht ihr hier Schönes?« fragte er, um ein Gespräch anzuknüpfen. Woraufhin einer von ihnen böse aufblickte und sagte, sie machten eine Maschine, um sich den Pimmel zu kratzen. Alle prusteten los, und da klar war, daß sie über ihn lachten, erwiderte Baudolino (der es schon leid war, den unbewaffneten Händler auf einem Maultier spielen zu müssen, während er im Gepäck, säuberlich eingerollt in eine Decke, sein Schwert als Hofmann hatte) im Dialekt der Frascheta, der ihm nach all den Jahren spontan auf die Lippen kam, er habe keinen Bedarf an machinae, da ihm gewöhnlich der Pimmel, den
    wohlerzogene Menschen Schwanz nennten, von jenen Huren
    gekratzt würde, die ihre Müttern seien. Die Genueser verstanden zwar nicht genau, was

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