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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verdreckt, daß man meinen konnte, du wärst direkt aus einem Misthaufen gestiegen. Du bist auf mich zugekommen, hast mich angesehen, hast mich gefragt, ob ich ein Spiel mit dir machen wolle, ich Dummkopf habe ja gesagt, und da hast du mir einen Stoß gegeben, der mich rücklings in den Schweinetrog fallen ließ. Als mein Vater mich in dem Zustand sah, verpaßte er mir eine Tracht Prügel, weil ich das neue Gewand ruiniert hatte.«
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    »Mag sein«, sagte Baudolino, »aber das ist dreißig Jahre her...«
    »Bisher sind es erst dreizehn, und seit damals habe ich jeden Tag daran gedacht, denn nie im Leben bin ich so tief gedemütigt worden wie damals, und immer habe ich mir seitdem gesagt: Wenn ich eines Tages den Sohn dieses Gagliaudo treffe, bringe ich ihn um.«
    »Und jetzt willst du mich umbringen?«
    »Jetzt nicht, genauer, nicht mehr, weil wir hier alle
    zusammengekommen sind, um eine Stadt zu erbauen, damit wir dem Kaiser Widerstand leisten können, wenn er wieder in diese Gegend kommt, und da will ich meine Zeit nicht damit vertun, dich umzubringen. Dreißig Jahre lang...«
    »Dreizehn.«
    »Dreizehn Jahre lang habe ich diese Wut im Bauch gehabt, und stell dir vor, gerade jetzt ist sie mir vergangen.«
    »Manchmal, wenn man's ausspricht...«
    »Laß die klugen Sprüche, geh deinen Vater umarmen. Und
    danach, wenn du mich für damals um Entschuldigung bittest, gehen wir alle gemeinsam zu einem gerade fertig gewordenen Haus, wo Richtfest gefeiert wird, denn in solchen Fällen ist es üblich, einen Becher vom Guten zu leeren und, wie unsere Alten sagten, ale, goga e migoga.«
    So fand sich Baudolino in einem geräumigen Keller wieder.
    Die Stadt war noch nicht fertig, und schon war die erste Taverne eröffnet mit einer schönen Laube im Hof, aber in dieser Jahreszeit saß man besser drinnen, in einer Höhle, die wie ein großes Faß gestaltet war, an langen hölzernen Tischen vor schönen Krügen und Tellern mit kleinen Salami aus
    Eselsfleisch, die dir (erklärte Baudolino dem entsetzten Niketas) wie aufgeblasene Schläuche vorkommen mögen, du schneidest
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    sie auf und läßt sie in Öl und Knoblauch brutzeln, und sie sind eine Köstlichkeit. Kein Wunder also, daß die Versammelten allesamt fröhlich, übelriechend und leicht beschwipst waren.
    Oberto del Foro verkündete ihnen die Rückkehr des Sohnes von Gagliaudo Aulari, und sofort kamen einige herbeigestürzt, um Baudolino auf die Schultern zu schlagen, und er riß zuerst überrascht die Augen auf, und dann schlug er zurück in einer wahren Orgie des Wiedererkennens, die gar nicht aufhören wollte. »O Herr im Himmel, du bist doch der Scaccabarozzi!
    Und du der Cuttica aus Quargnento! Und du, wer bist du? Nein, warte, laß mich raten, ach ja, du bist der Squarciafichi! Und du bist der Ghini oder der Porcelli?«
    »Nein, der Porcelli ist der, den ihr immer mit Steinen
    beworfen habt. Ich war der Ghino Ghini, und um die Wahrheit zu sagen, ich bin es noch. Wir beide sind immer im Winter zum Schlittern aufs Eis gegangen.«
    »Herrgott ja, stimmt, du bist der Ghini. Aber warst du nicht der, der einem alles verkaufen konnte, sogar die Köttel von deiner Ziege wie damals, als du sie diesem Pilger als sterbliche Reste von San Baudolino angedreht hattest?«
    »Ja freilich, und jetzt bin ich Kaufmann geworden, da kannst du mal sehen, daß es wirklich ein Schicksal gibt. Und der da, rate mal, wer das ist...«
    »He, das ist ja der Merlo! Merlo, was hab ich immer zu dir gesagt?«
    »Du hast immer zu mir gesagt: Du hast's gut, du bist blöd und nimmst nix krumm... Und statt dessen, sieh her, anstatt was zu nehmen, hab ich was verloren«, und er streckte den rechten Arm vor, an dem keine Hand mehr war. »Bei der Belagerung von Mailand, der vor zehn Jahren.«
    »Ach je, du Ärmster! Aber hör mal, grad wollt' ich's schon
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    sagen, soweit ich weiß, waren doch die Leute aus Gamondio, Bergoglio und Marengo immer auf der Seite des Kaisers
    gewesen. Wie kommt das, erst wart ihr mit ihm, und jetzt baut ihr eine Stadt gegen ihn?«
    Alle redeten gleichzeitig los, um es ihm zu erklären, und das einzige, was Baudolino verstand, war, daß rings um die alte Burg und die Kirche der Santa Maria von Roboreto eine Stadt entstanden war, erbaut von Leuten aus den Nachbardörfern wie eben Gamondio, Bergoglio und Marengo, aber mit Scharen
    ganzer Familien, die von überallher zusammengeströmt waren, aus Rivalta Bormida, aus Bassignana oder aus Piovera, um sich Häuser zu

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