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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mann mit Ziegenbart getroffen? Es ist sehr wichtig.«
    Der Bürgermeister sagt kühl: »Ich hätte es vorgezogen, eine Weile nicht mit Ihnen zu reden, Herr Stuff. Sie riechen nicht gut in meiner Nase. Aber da es Ihnen wirklich wichtig scheint: Auf dem Feldweg nach Lohstedt, fünf Minuten von hier, hat uns ein Mann angequasselt. Es war dunkel, aber seine Stimme hätte zu einem Ziegenbart gepaßt.«
    |435| »Darf ich auch fragen, Herr Bürgermeister, was der Mann wollte?«
    »Nein, Sie dürfen nicht mehr fragen, Herr Stuff.« Der Bürgermeister wendet sich zu Stein. »Also denn gute Nacht, Herr Assessor …«
    Doch Stuff ist nicht abzuschütteln. »Seien Sie nicht kleinlich, Herr Bürgermeister. Ich schwöre Ihnen, morgen dürfen Sie mich schneiden, soviel Sie wollen, antworten Sie heute: Was wollte der Mann?«
    »Sie sind ein seltsames Gewächs, Stuff«, sagt der Bürgermeister nicht ohne Anerkennung. »Ich wollte, Sie wären kein Zeitungsmensch. – Der Assessor meinte ja, der Mann wäre besoffen, mir kam das nicht so vor.«
    Stuff drängt. »Was fragte er?«
    »Nach der Zeit. Halb zwölf schlug es grade. Ob ich der Bürgermeister sei. Ob ich Kinder habe. Ob ich verheiratet sei.«
    Der Assessor ergänzt: »Warum Sie die Bauern haben niederschlagen lassen.«
    »Haben Sie ihm vernünftig geantwortet?«
    »Bis auf die letzte Frage: ja.«
    »Das war er. Henning, ich sage Ihnen …«
    »Henning …?« fragt der Bürgermeister sehr hellhörig.
    »Da kommt er!« brüllt Henning. »Lauft! Lauft!!«
    Aus dem dunklen Laubenkolonieeingang schießt wie eine Rakete ein Mann. Über dem Kopf schwingt er, wurfbereit, etwas wie ein Paket.
    Stuff versetzt dem Bürgermeister einen fürchterlichen Schlag in den Rücken. »Lauf! Lauf, Bürgermeister! Bombe!«
    Und Stuff stürzt los. Stein läuft schon. Zwanzig Meter vor den andern Henning.
    Die kaum bebaute, menschenleere Vorstadtstraße fliehen die vier entlang, der Bürgermeister als letzter, schon keuchend. Hinter ihm jagt schnellfüßig der verhungerte Hering Mall-Gruen, die geschwungene Bombe in der Hand. Im hellsten Ton schreit er: »Das Komplott ist entdeckt! Die Verräter sind beisammen. Alle vernichtet der Blitz aus der Wolke.«
    |436| Das Ergebnis des Wettrennens kann nicht zweifelhaft sein: In jeder Minute holt Gruen auf gegen den Bürgermeister.
    Der hört den näher kommenden leichten Schritt, denkt: Kaputt so und so. Alles kommt darauf an, daß ich die Bombe sofort zu halten kriege.
    Er dreht sich mit verblüffender Schnelligkeit um, stürzt in die Arme des Verfolgers, schmettert ihn mit dem ungeheuren Gewicht seines Körpers zu Boden, fällt über ihn, fühlt, daß er den Koffer fest in der Hand hat, spürt einen blödsinnigen Biß im Arm, brüllt: »Komm her, Stuff! Hilfe, Stuff!«
    Und tief über sich selbst erstaunt, hört er sich rufen: »Wackerer Stuff, Hilfe!«
    Er ringt mit dem andern um die Bombe, die der gegen den Boden schlagen will. Der kämpft mit Zähnen und Händen, der Bürgermeister spürt, gleich …
    Zehn Sekunden, zwanzig Sekunden.
    Dann sagt Stuff, ein bißchen atemlos, aber ruhig über ihm: »Lassen Sie den Stadtkoffer ruhig los, Herr Bürgermeister. Ich habe ihn.«
    Und nimmt ihn dem Gareis aus der Hand, hält ihn ans Ohr. »Er tickt«, sagt Stuff. »Soweit alles in bester Butter.«
    Der Bürgermeister steht schwerfällig auf, sieht auf den Liegenden. »Besinnunglos. Das verdrehte Aas. Verrückt, nicht wahr?«
    »Total.«
    »Sagen Sie, Stuff, was fängt man eigentlich mit solcher Bombe an? Das Ding kann doch jeden Augenblick losgehen?«
    »Dasselbe wollte ich Sie fragen, Herr Bürgermeister«, entgegnet Stuff und hält das Köfferchen weit ab von sich. »Wenn wir es dahinten auf die Wiese legten?«
    »Warum nicht? Wenn es nicht vorher explodiert?«
    »Jetzt wäre das doch eigentlich sinnlos. Ich schlage vor, ich gehe.«
    »Ich schlage vor, wir gehen zusammen.«
    |437| »Aber das ist wirklich unnötig«, sagt Stuff.
    »Lassen Sie mir den Spaß«, sagt der Bürgermeister.
    Und sie gehen zur Wiese.
    Auf der Straße liegt, besinnungslos, Gruen. Irgendwo, sich raschestens dem Stadtzentrum nähernd, laufen Henning und Stein.

    10

    Es ist dieselbe Nacht, es ist dieselbe Stunde, da ist Thiel auf dem Wege von Bandekow-Ausbau nach Stolpe. Auch er hört die Uhr halb zwölf schlagen, und er rechnet: Kurz nach zwölf bin ich auf der »Bauernschaft«.
    Es hat ihn nicht gelitten auf dem Hof.
    Damals, vor rund einer Woche, als Padberg abreiste und er in seine

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