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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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die eigene Karriere. Und der schlägt mir meine ganze gute Arbeit hier endgültig entzwei.«
    »Die bauen Sie sich überall wieder auf, Herr Bürgermeister.«
    »Aber ich denke gar nicht daran, hier fortzugehen. Vielleicht gewinne ich doch. Ich habe doch wenigstens was aufzuweisen, was auch den Bauern gefällt, ich hab doch einiges für die getan! So die Ausstellung damals. Oder die Viehhalle, die habe ich denen doch auch finanziert. Oder besser, zusammengeschnorrt. Und den Pferdemarkt beim Turnier. Und die Bauernkurse im Winter. Na ja, das wird ihnen eines Tages alles wieder einfallen, wenn sie ruhiger geworden sind. Und dann quatschen wir nicht lange von Versöhnung, dann machen wir irgendwas Nettes, was dem Bauern Geld einbringt – dann ist die Freundschaft gleich wieder da.«
    »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Herr Bürgermeister, daß Sie seit einer Viertelstunde vom Boykott reden?«
    »Richtig. Ich bin ein schlappes Aas. Jetzt wird mindestens eine halbe Stunde stramm gegangen. Und ich schwöre Ihnen, ich werde an ganz andere Dinge denken als an den Boykott.«
    Es wird nicht nur eine halbe Stunde geschwiegen, über eine Stunde geht es still gradeaus.
    Dann kommt ein Wäldchen. Dort setzt sich der Bürgermeister und lauscht auf den Nachtwind in den Ästen.
    »Sehr gut ist das. Eine sehr gute Einrichtung, der Wind. |433| Für so was müßte man Zeit haben. Man kann immerzu über solche Geschichten nachdenken. Da ist auch so was … Haben Sie sich mal überlegt, Steinchen, woran man eigentlich die verschiedenen Baumarten erkennt?«
    »Nun, ich denke, an den Blättern.«
    »Aber im Winter sehen Sie auch, was ein Apfel und was eine Kirsche ist.«
    »Ich allerdings nicht. Aber man wird es ja wohl an der Farbe des Stammes, an der Rinde erkennen, was weiß ich.«
    »Und wenn Sie zweihundert Meter ab sind, wissen Sie auch Bescheid? Nein, ich denke mir, jede Baumart hat einen bestimmten Winkel, soundso viel Grad, in dem sie ihre Äste ansetzt. Oder Variationen zwischen verschiedenen bestimmten Winkeln. Es gibt sicher Leute, die so was wissen. Aber solche Leute lernt ja unsereins leider nicht kennen.«
    »Damit kann ich freilich nicht dienen.«
    »Beleidigt, Assessor? Seien Sie nicht albern. – Kehren wir um.«
    Sie nähern sich schon wieder der Stadt, als plötzlich dem Dunkel ein Mann enttaucht. Nicht mehr als ein Schatten. Er fragt höflich nach der Zeit.
    Die Leuchtuhr am Armband zeigt halb zwölf, und in dem gleichen Augenblick, da der Bürgermeister es sagt, schlagen die Turmuhren der Stadt, helle und dunkle, sieben verschiedene.
    Der Mann dankt und geht weiter, von der Stadt fort. Dann bleibt er noch einmal stehen und fragt aus dem Dunkel heraus: »Sie sind doch der Bürgermeister Gareis?«
    Der Mann ist schon eine ganze Ecke ab, und Gareis ruft zu ihm hin: »Nachts um halb zwölf nur Gareis. Den Bürgermeister lassen wir auf dem Rathaus.«
    Der Mann scheint sich noch weiter zu entfernen, aber sein Fragedurst ist ungestillt. »Sind Sie eigentlich verheiratet?« fragt er.
    Und der Bürgermeister echot: »Wieso wäre ich wohl sonst so dick, Mensch?«
    |434| »Und Kinder?«
    »Nein, nicht. Sonst noch was?«
    Wirklich, der Frager – nun ist er schon mindestens fünfzig Schritte ab – ruft wieder: »Warum haben Sie denn die Bauern niederschlagen lassen?«
    »Haben die selbst getan«, antwortet Gareis sibyllinisch und hört einen lachen, höhnisch, frech, meckernd.
    »Der hatte doch einen in der Krone«, sagt der Assessor tadelnd. »Ich begreife Sie nicht, Herr Bürgermeister.«
    Aber der Bürgermeister antwortet nicht.
    »Das war sehr komisch«, sagt er schließlich, »und ein bißchen unheimlich. Na ja, ich glaube wirklich, mir tut es gut, wenn ich erst mal gründlich ausschlafe.«
    »Wieso denn unheimlich? Ich fand gar nichts unheimlich. Nur frech.«
    »Frech? Na ja, frech. Mir kam er vor wie einer, der nach mildernden Umständen sucht.«
    »Das verstehe ich nun nicht.«
    »Glaub ich … Gehen wir weiter. Es wird schon nichts zu sagen haben. Und außerdem – wer ist dagegen geschützt?«
    »Wogegen?«
    »Daß einen Besoffene anquatschen, nicht wahr?«
    Sie gehen weiter. Sie biegen in die Vorstadtstraße ein und sehen vor sich das Haus des Bürgermeisters. Vor dem Hause stehen zwei Männer und schauen ihnen entgegen.
    Gareis hat den einen erkannt, er will ihn aber nicht kennen. Er geht stracks auf die Haustür zu, doch der spricht ihn an.
    »Entschuldigen Sie, Herr Bürgermeister. Haben Sie vielleicht einen

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