Bauern, Bonzen und Bomben
Feinde …
Aber schon marschiert die KPD.
Die Fanfaren gellen, die Pfeifen schrillen; gegen das Rathaus zu, unter der Treppe vorbei geht ihr Marsch.
In völliger Ordnung ziehen sie ab, mit lachenden, triumphierenden Gesichtern.
Sie
haben ihre Versammlung gehabt.
»Was ist das?« ruft Tredup und zeigt auf einen Popanz im Zuge, der zwischen zwei Fahnen torkelt.
Eine Strohpuppe ist es, in einer blauen Uniform mit blanken Knöpfen, mit einer Mütze auf der Strohkopfkugel, einer Hornbrille auf der Rübennase.
»Frerksen«, sagt der Stadtverordnete Geier. »Unser teurer Genosse Frerksen …«
Es ist kein Zweifel, jeder versteht es, denn im Besenstielarm gen Himmel erhoben trägt die Gestalt den berühmten Säbel, die verschwundene Waffe paradiert.
»Frerksen als Vogelscheuche bei den Kommunisten«, sagt |492| Geier. »Sehr günstig das für unsere Partei, Genosse Gareis. Was meinst du?«
»Da!« sagt Gareis.
Sechs, acht Schupos sind plötzlich neben der Spitze des Zuges. Mit Gummiknütteln dringen sie ein, gegen den Kern an, in dem der Strohmann schwankt.
Schon nicht mehr schwankt. Die von der Treppe sehen es deutlich: Plötzlich sackt er zusammen, losgelassen, fällt er zwischen die Füße der Weitermarschierenden, die ihn beiseite stoßen, über ihn stolpern, mit den Füßen aus der Gehbahn werfen.
Nur der Säbel …
Mit der Spitze gegen den Nachthimmel, die Schneide immer wieder aufblitzend im Laternenschein, wandert er von Hand zu Hand im Zuge. Wo auch die Schupo vorstößt, ihn zu fassen meint, schon mit den Händen zu halten glaubt … Zehn Meter weiter wandert er, blinkt er, spottet er, droht er.
Und nun taucht laufend neben dem Zug auf, schwitzend, mit verdrückter Uniform, verrutschter Mütze, schiefer Brille: Oberinspektor Frerksen.
»Der Idiot!« schimpft Gareis. »Statt daß er sich drückt. Flachkopf, verdammter! – Frerksen, hierher!« brüllt er.
Aber Frerksen stolpert dem Blinklicht seines Säbels nach. Er leuchtet vor ihm, verschwindet, strahlt wieder auf …
Die Musik ändert die Melodie. Plötzlich singen sie alle, schreien, kreischen, lachen.
»Wo ist denn nur mein Säbel hin? Säbel hin? Säbel hin? …« Der Zug verschwindet um die Ecke. Mit ihm der Oberinspektor.
»Ich glaube«, sagt Tredup erschauernd, »der tut sich heute nacht noch was an.«
|493| 4
Kurz vor zehn Uhr trifft der Zug aus Altholm in Stolpe ein.
Stuff hat, müde vom Alkohol, ein bißchen vor sich hin gedrusselt. Nun steht er unlustig auf dem Bahnsteig und überlegt, wo er Henning wohl finden könnte. So gut er Altholm kennt, so wenig weiß er vom nächsten Nest, und in Stolpe ist er in seinem ganzen Leben höchstens ein Dutzend Male gewesen.
Na, jedenfalls versuche ich es auf der »Bauernschaft«. Ein schönes Kamel bin ich eigentlich, so ins Blaue hineinzufahren.
Erst einmal aber muß er sich stärken, und als der Kellner im Wartesaal ihm den dritten dreistöckigen Korn serviert, ist die Grundlage für eine Auskunftserteilung da.
»Henning? Nein, so einer verkehrt hier nicht.«
»Der von der ›Bauernschaft‹, wissen Sie, von der Zeitung von Padberg.«
»Herrn Padberg kennen wir, aber der ist ja …«
»Verschütt«, ergänzt Stuff. »Im Kittchen. Das ist alt.«
»Jetzt ist ein junger Mann für ihn da …«, fängt der Kellner an zu erzählen.
»Mensch! Seele! Bruderherz!« ruft Stuff. »Der ist es ja, den ich suche. Der heißt Henning.«
»So, der heißt Henning? Das habe ich nicht gewußt. So ein Junger, Blonder mit blauen Augen? Hat meistens Sportanzug an?«
»Ja. Jawohl. Das ist er. Und verkehrt der hier?«
»Nein,
hier
verkehrt der nicht.«
»Wo verkehrt er denn?«
»Das könnte ich nicht sagen. Ich bediene nur hier. Aber er hat es wohl viel mit den Mädchen. Man sieht ihn immer mit Mädchen.«
»Und wo geht man hier hin mit Mädchen?«
»Ins Café, Herr, in irgendein Café.«
|494| »Wieviel Cafés gibt es denn hier?«
»Da haben wir erst einmal Café Koopmann.«
»Wo ist das?«
»Das ist am Markt.«
»So. Den Markt weiß ich. Und weiter?«
»Ja, aber ins Café Koopmann geht man nicht mit Mädchen. Das duldet Frau Koopmann nicht.«
»O Gott, Mann«, stöhnt Stuff. »Wo geht man denn hin mit Mädchen?«
»Ins Café Fichte oder ins Café Grand.«
»Wo sind denn die? Schwer zu finden?«
»Ja, wenn Sie hier nicht Bescheid wissen …«
»Nein! Nein! Gibt es hier eine Autotaxe?«
»Ja, die gibt es.«
»Hier vor dem Bahnhof?«
»Ja.«
»Dann will ich …«
»Heute aber nicht«,
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