Bauern, Bonzen und Bomben
wahr, Elise?«
»Ja«, sagt sie, »gerne komme ich mal. Wenn es dich nicht geniert. Man sieht es doch schon wieder bei mir. Bei mir sieht man es immer gleich.«
|501| »Das macht nichts. Das ist doch keine Schande, wenn man ein Kind erwartet und ist verheiratet. Vielleicht ist es sogar ganz gut. Vielleicht ist Gebhardt grade da und sieht es und legt mir von selbst zu.«
»Das möchte ich nicht«, meint sie, »daß der es sieht. Auf Gebhardt habe ich eine richtige Wut.«
»Aber warum denn? Gebhardt ist doch ganz gut, der legt mir am Ende doch zu, wenn ich zehnmal bei ihm gewesen bin. Ich geniere mich nicht. Ich frage immer wieder.«
»Nein, ich mag ihn nicht. Seit er gesagt hat, er legt der Heinze nichts zu, das ist schon viel zuviel, was er ihr gibt, seitdem mag ich ihn nicht. Daß der Mann sich nicht schämt! Das Mädchen will doch auch leben.«
»Gott, Elise, so sind die Chefs alle. Die verstehen doch nichts vom Gehalt und Auskommen. Die lesen in der Zeitung, daß ein Arbeitsloser mit zwölf Mark vierzig Pfennig die ganze Woche leben muß mit seiner Familie. Und da denken sie, was eine ganze Familie kann, muß ein einzelnes Mädel doch auch können.«
»Eben. Der sollte es mal versuchen. Eine Woche sollte er leben mit Frau und Kindern, nur so, wie wir leben
»Das hilft nichts, Elise, eine Woche. Eine Woche können das alle. Das Schlimme ist ja, immer so leben, ohne Aussicht, daß es besser wird, das ist das Schlimme. Und das kann man dem Gebhardt nie beibringen. Nein, wir kriegen schon Geld. Es geht doch vorwärts, Elise. Vor einem Vierteljahr bekam ich nur Provision, und heute bekomme ich festes Gehalt und bin Redakteur.«
»Und die tausend Mark …«, fängt Elise an.
Aber er will nicht hören. »Und ich sage dir, wir stehen jetzt gleich auf und trinken Kaffee. Und dann lauf ich zum Ostseekino und seh mir die Bilder an. Ich soll alles Lokale von denen kriegen, aber was ich kann, schreibe ich doch lieber selbst.
Und zum Wochenmarkt gehe ich auch noch. Zum eigentlichen Marktbericht ist es zu früh, aber ich will ein Stimmungsbild |502| schreiben, wie die Marktwagen kommen und die Stände aufgebaut werden und der Hänsel von der Marktpolizei rumgeht und verteilt die Plätze. Und wie zwei Händler sich um ihre Stände zanken.
So was lesen die Leute gerne. Eine feine Zeitung will ich machen.«
Er liegt mit offenen Augen, abwesend, träumend. Frau Elise möchte noch einmal anfangen von den tausend Mark, aber dann tut er ihr leid. Er ist so glücklich, er freut sich wie ein Kind.
»Dann stehe ich auf und koch Kaffee«, sagt sie und will aus seinen Armen.
»Das tu nur. Ich muß los. O Elise, Elise!« Er drückt sie immer fester und schüttelt sie. »Elise, ich bin Redakteur! Freust du dich nicht? Redakteur bin ich!«
2
Vor der großen Turnhalle bei der Marbedeschule ist Schupo aufmarschiert. Neugierige stehen in dichten Scharen auf der Straße.
Es ist schon ein Viertel nach neun, als Tredup mit stürmendem Schritt naht. Er hat sich verspätet, hoffentlich bekommt er noch einen guten Platz am Pressetisch.
Er stürzt auf den nächsten Schupo zu. »Tredup, Redakteur von der ›Chronik‹. Hier ist mein Ausweis. Hat es schon angefangen? Ist etwas passiert, Herr Wachtmeister, daß hier Schupo ist? Sie sind wohl gleich von gestern abend hiergeblieben?«
»Bitte, dort steht Herr Oberleutnant.«
Tredup lernt Oberleutnant Wrede kennen. Nein, es hat noch nicht angefangen. – Nein, das ist eine halbe Hundertschaft, vom Gericht angefordert. – Nein, natürlich im Einvernehmen mit der Polizeiverwaltung. – Ja, die bleiben den ganzen Prozeß hier. – In Hotels sind die Leute untergebracht. |503| – Ja, er bäte den Herrn Redakteur, das lieber nicht zu erwähnen.
Tredup kraust die Stirn.
Es gäbe gleich wieder Gerede, über Luxus, Verschwendung, und doch wären keine anderen Quartiere hier in Altholm.
Tredup verspricht, nichts zu bringen. Und behält sich innerlich freie Hand vor. Eine halbe Hundertschaft Schupo in Hotels? Das ist ja horrend!
Tredup tritt eilig in die Turnhalle ein.
Man hat aus ihr durch die Entfernung der Geräte einen leidlichen Sitzungssaal geschaffen. Natürlich, der Gerichtssaal im Amtsgericht ist viel zu klein, und in den Saal einer Gastwirtschaft hat man wohl nicht gehen wollen. Immerhin wirkt es seltsam, wie hinter dem Richtertisch der dürre Wald der Kletterstangen aufwächst, die Seile sind hochgebunden, aber etwas ominös sieht es doch aus.
Tredup findet den Pressetisch
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