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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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dreihundert Mann stark, mit Fanfaren. Halten vorm Lokal. Ihr Führer, der Matthies, sagt was …«
    »›Haut die Nazis!‹ hat er geschrien«, sagt der zweite Nationalsozialist.
    »Die stürmen alle den Gang runter zur Saaltür. Ein Gedränge plötzlich, sage ich Ihnen, ein Getobe. Ich und mein Parteigenosse, wir stehen an der Saaltür, Eintrittsgeld kassieren. ›Fünfundzwanzig Pfennig‹, sage ich zum ersten. Der nimmt die Faust, schlägt von unten gegen den Teller, daß das ganze Geld durch die Luft fliegt. Ich gebe ihm einen Kinnhaken. Schon sind zehn über mir. Als ich mich wieder hochrappele, brüllt die ganze Horde schon im Saal …«
    »Mir ist es nicht anders ergangen …«
    »Und? Was wurde?«
    »Wer im Saal von uns war, wurde niedergeschlagen. Ein paar konnten über die Bühne ausreißen, sie telefonierten. Dann kam Polizei. Wie die durch die Saaltür reinkam, zogen die Kommunisten durch die andere raus, stellten sich unter die Bäume und halten jetzt dort ihre Versammlung ab.«
    Der Redner schluckt. »Unter Polizeischutz!« stößt er wütend hervor.
    »Und Sie? Tagen Sie drinnen?« fragt Tredup.
    |487| »Wie sollen wir denn drinnen tagen? Sie sehen doch, wie die Polizei das Publikum von uns absperrt! Außerdem hat der Bürgermeister unsere Versammlung verboten.«
    »Verboten?!«
    »Ja, nicht wahr, das kapiert man nicht? Die Räuber da drüben dürfen reden. Denen passiert nichts. Aber wir …«
    »Entschuldigen Sie. Einen Augenblick«, ruft eifrig Tredup. »Ich will gleich feststellen, ich gehe auch zum Bürgermeister … Ihre Versammlung müssen Sie haben …«
    Tredup schießt auf den Kriminalassistenten Perduzke zu. »Herr Perduzke, können Sie mir sagen, wo der Bürgermeister ist?«
    »Wo soll denn der sein? Auf der Rathauswache ist er. Läßt es sich gut sein, und unsereins darf sich schämen.«
    »Aber wieso?«
    »Wieso? Wieso? Stuff, Männe würde nicht fragen, wieso! Das sieht man doch. Der Matthies, der Stänker, der sofort wegen Überfalls und Raub verhaftet werden müßte, schwingt die große Klappe, und wir patrouillieren hier, daß ihn man nur keiner stört.«
    »Aber warum das alles? Herr Perduzke, ich verstehe das nicht …«
    »Das glaube ich, fragen Sie doch Ihren Freund, den Frerksen. Der stolziert ja hier wie ein Storch im Salat.«
    Tredup stürzt auf Frerksen los. »Herr Oberinspektor, wollen Sie mir nicht erklären … Ich vertrete hier die ›Chronik‹, Herrn Stuff. Ich verstehe nichts …«
    Oberinspektor Frerksen legt artig zwei Finger an den Mützenschirm. »Guten Abend, Herr Tredup. Sie vertreten die ›Chronik‹? Das ist günstig, so dürfen wir auf einen unparteiischen Bericht hoffen …
    Die Lage ist rasch erklärt. Dort – die Nationalsozialisten, hier – die Kommunisten. Wir Polizei dazwischen. Wir halten sie auseinander, Schlägereien bleiben vermieden.«
    »Aber die Kommunisten haben einen Überfall gemacht, habe ich gehört?«
    |488| »Das ist noch nicht klargestellt. Untersuchungen können wir in dieser Stunde natürlich nicht anstellen.«
    »Aber die Naziversammlung ist verboten?«
    »Nur vorübergehend. Vielleicht noch eine Viertelstunde. Das Ganze ist: Wir sind zu schwach, Herr Tredup. Ich habe dreißig Mann hier. Was soll ich damit machen? Schupo aus Stolpe kann jeden Augenblick kommen. Dann lösen wir die Kommunisten auf und geben die Naziversammlung frei.« Er sieht Tredup liebenswürdig an.
    Der ist besiegt. »Das scheint mir ganz richtig. Natürlich können Sie nicht mit dreißig Mann …«
    »Ausgeschlossen.«
    »Und können Sie mir sagen, wo Herr Bürgermeister ist? Vielleicht hat er Instruktionen für mich?«
    »Herr Bürgermeister ist auf der Rathauswache«, sagt Frerksen kurz.
    »Meinen Sie nicht, daß es richtig ist, wenn ich mal zu ihm gehe?«
    »Oh, warum nicht?« fragt Frerksen kühl. »Gehn Sie nur zum Herrn Bürgermeister. Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
    Und der Oberinspektor nimmt wieder seinen Marsch auf, genau in der Mitte des Fahrdamms, genau in der Mitte zwischen den feindlichen Parteien.
    Auf dem Rathausflur brennt eine einzige trübe kleinflammige Glühbirne.
    Tredup tastet sich auf die Tür zu, an der er das Schild weiß: »Polizeiwache. Eintritt verboten.«
    Er klopft einmal, aber niemand antwortet.
    Wieder klopft er, und wieder bleibt alles still.
    Er öffnet vorsichtig die Tür.
    Auch drinnen ist es trübe, staubig, öde. Aber Gareis ist da. Auf einem Tisch sitzt er, die Füße auf einer Mannschaftspritsche, in grauem

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