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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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grade gegenüber dem Platz der Angeklagten und sucht sich einen freien Stuhl. Schon ein Dutzend Herren sind da, auf vielen Plätzen ist ein Schild aufgepinnt, wer sie beansprucht.
    Das also sind die großen Herren aus Berlin, sie flüstern miteinander. Die kennen sich. Tredup kennt niemanden. Von Altholm ist noch keiner da. Wenn doch erst Blöcker käme oder wenigstens der Pinkus von der »Volkszeitung«, daß man ein paar Worte reden könnte, erzählen, als was man hier ist.
    Plötzlich tun sich die Türen hinten auf, und das Publikum wird eingelassen. Und durch die andere Tür, eskortiert von Justizwachtmeistern, erscheinen zwei Angeklagte: Padberg und Bauer Rohwer. Tredup sucht den einzigen, den er kennt, Henning, der einmal wegen der Bilder bei ihm war, doch der fehlt noch.
    Nun geht die Tür zur Rechten auf, ein kleiner Mann kommt unsicher herein, sieht sich zögernd um, der Gerichtsdiener sagt was zu ihm. Der kleine Mann macht fünf |504| Schritte und springt wieder zurück. Er sieht nicht gut aus: Quer über die eine Gesichtshälfte, durch die Nase, läuft eine feuerrote breite Narbe. Und die Nase selbst, graubleich, sieht aus wie eine formlose Kartoffel.
    Der Gerichtsdiener nimmt den kleinen Mann beim Arm und führt ihn zum Platz der Angeklagten. Ganz zuunterst setzt sich der. Er sieht sich ängstlich um und verbirgt dann sein Gesicht in der Hand.
    Aus dem Gerede der Pressevertreter entnimmt Tredup, daß dies der Dentist aus Stolpe ist, gegen den unbegreiflicherweise Anklage erhoben sei. (Was eine Schande sein soll.)
    Nun wird der vierte Stuhl bei den Angeklagten besetzt, Henning, den Arm in einer schwarzen Binde, ist gekommen. Im Zuschauerraum stehen die Leute sogar auf, um ihn zu sehen, alle recken die Hälse. Ein Pressemensch, zwei Plätze ab von Tredup, fängt an zu zeichnen, als sei nun erst der Richtige gekommen.
    Aber Henning macht sich gut. Er begrüßt die andern Angeklagten, gibt ihnen die Hand, sogar dem Dentisten stellt er sich vor, die beiden reden miteinander, Henning lächelt.
    Tredup notiert eifrig.
    Eine Stimme quäkt neben ihm: »Nanu, ist das Käseblatt ›Chronik‹ heute durch zwei Mann vertreten?«
    Pinkus von der »Volkszeitung« hat sich neben Tredup gesetzt.
    »Wieso zwei Mann?« fragt Tredup ärgerlich. »Ich vertrete die ›Chronik‹.«
    Pinkus grinst. »Und Stuff? Was macht der?«
    »Stuff? Was soll der machen?« Aber schon verschlägt es ihm die Rede.
    Schräg gegenüber sitzt Stuff und sieht ihn grade und trüb durch den Klemmer an. Beklommen grüßt Tredup, und Stuff bewegt ernst den Kopf.
    Und während alles aufsteht, weil jetzt der Gerichtshof seinen Einzug hält, ist Tredup ganz auseinander. Was will Stuff hier? Hat er sich mit Gebhardt ausgesöhnt? Oder ist er |505| nur so da? Was spielen die mit ihm? Soll er nie Ruhe haben? Sich nie freuen dürfen?
    Indes die Personalien der Angeklagten festgestellt werden, der Eröffnungsbeschluß verlesen wird, versinkt Tredup in Grübelei. Nur manchmal schreibt er flüchtig ein paar Sätze.
    Wozu sich Mühe geben? Es wird ja doch nichts mit ihm.
    Die Vernehmung der Angeklagten zieht sich endlos hin.
    Der Vorsitzende hat eine freundschaftliche Art, mit ihnen zu sprechen. Er redet sie mit »Herr« an, er läßt ihnen Zeit. Und mit äußerster Genauigkeit bemüht er sich, jeden Schritt jedes Angeklagten während des Demonstrationszuges festzustellen. Hinter ihm steht eine große schwarze Tafel, auf der jedes Haus am Marktplatz und am Burstah eingezeichnet ist.
    »Wo standen Sie da? – Waren Sie vielleicht schon beim Hause von Bimm? Sie wissen, das ist der Laden …«
    Die Staatsanwaltschaft schweigt. Der Verteidiger erläutert nur manchmal, hilft dem wortungewandten Rohwer.
    Bewegung entsteht erst, als der Vorsitzende die Bauernschaftsfahne in den Saal bringen läßt. Sie ist auseinandergenommen, und nun bildet sich vor dem Richtertisch eine Gruppe: Henning und Padberg schrauben die Sense auf, der Vorsitzende sieht interessiert zu. Der Oberstaatsanwalt, gefolgt vom Staatsanwaltschaftsrat, beobachtet aus zwei Meter Entfernung, der Verteidiger steht neben Henning.
    Padberg hebt die Fahne.
    Das beschmutzte Fahnentuch hängt kläglich am Schaft herunter, die Sense, dreifach geknickt und verbogen vom Kampf, sieht trübe aus.
    »Würden Sie nun einmal zeigen, Herr Henning, wie Sie die Fahne trugen? Ach so, Ihr Arm. Entschuldigen Sie, vielleicht ist Herr Padberg so liebenswürdig?«
    Aber Padberg ist ungeschickt. Er ist klein, untersetzt, er hat

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