Bauern, Bonzen und Bomben
beschlagnahme die Fahne!«
Henning hört kaum hin, er hält mit beiden Händen die Fahne fest vor der Brust.
»Die Fahne gehört uns!«
Die Gruppe vorne will anhalten, aber der Zug ist in Marsch, drückt nach. Die nächsten Glieder wollen auch sehen, was da eigentlich los ist, die Fahne schwankt, alles strömt über, ein Gedränge, durch das sich grade noch Oberwachtmeister Maurer pressen kann. Er greift instinktiv nach dem Fahnenschaft, den Frerksen hält, die Fahne kommt ins Schwanken, neigt sich, fällt. Blechern klirrt auf dem Pflaster die aufschlagende Sense.
Frerksen bekommt von hinten einen Stoß, dreht sich halb um, zwei zornglühende Augen starren ihn an, zwei Fäuste drohen, eine Stimme droht: »Weg mit deinen dreckigen Händen von unserer Fahne!«
Wieder ein Stoß. Ein Schlag. Viele Schläge auf die Schulter. Da ist Maurer, er zerrt vorne an der Fahne, die Henning hinten hält. Nun fällt er über ein Bein. Maurer liegt am Boden, immer noch den Fahnenschaft, an dem mit Henning drei, vier Bauern hängen, in den Händen. Halb fällt das Fahnentuch über ihn.
Wo ist Schmidt? Wo ist die Kriminalpolizei? Dies geht schief, denkt Frerksen. Schläge fallen auf ihn.
Er wirft sich mit dem Rücken gegen die Andrängenden, bekommt einen Augenblick Luft, reißt den Säbel aus der Scheide …
Eine Hand umklammert seinen Arm, er sieht in das wutweiße Gesicht jenes Mannes, der ihn vorhin vom Fahnenträger wegjagte, wegstieß. Padberg befiehlt: »Weg mit der Plempe, Mann!«
|178| Sie zerren. Frerksen will den Arm freibekommen, um zuzuschlagen. All diese Gesichter sind voll Haß, und drüben die Gesichter in den Fenstern voll Neugier. Der Mann dreht an seinem Gelenk, die Knochen knacken: Der Säbel klirrt auf dem Pflaster. Noch sieht er ihn blinken zwischen den Füßen, nun tritt ein Fuß darauf, ein Bein schiebt sich davor.
Frerksen hat die Hand freibekommen. Er greift in die Pistolentasche. Drüben steht Maurer mit gerötetem Antlitz. »Pistolen raus!« schreit Frerksen mit überschlagender Stimme. »Bahn frei!«
Irgendwie öffnet sich eine Gasse vor ihm, er stolpert entlang, halb blind hinter der verrutschten, beschlagenen Brille, keuchend vom Kampf. Nun ist er auf dem Bürgersteig der andern Seite, die Leute treten auseinander. Ihre Gesichter werden scheu, wenn sie ihn ansehen …
Er lehnt gegen eine Hauswand …
Zu ihm kommt Maurer. »Das ging schief. Wir sind zu wenige.«
»Wo ist Schmidt?« keucht der Inspektor.
»Den hat hinten schon einer in der Mache gehabt. Da geht er. Ach, er hat mit Perduzke einen verhaftet, einen Bauern, sie gehen zur Wache.«
Über dem Bauernzuge erscheint, hoch, mit flatterndem schwarzem Tuch, die Fahne. Verbogen die Sense, aber die Fahne weht. Und der Zug marschiert weiter.
4
»Sie haben«, schreit der Bauer Rohwer erregt, »Sie haben mich loszulassen, Herr! Sie haben mich geschlagen, ich werde mich beschweren über Sie, bei Ihrer Behörde.«
»Beruhigen Sie sich nur erst«, sagt Perduzke höflich. »Trinken Sie ein Glas Wasser bei uns auf der Wache.«
»Ich scheiße auf Ihr Wasser. Sie haben kein Recht, mich festzuhalten.«
|179| »Hast du gesehen«, sagt der dicke Schmidt zu Perduzke, »wie er mir beinahe den Arm gebrochen hätte am Laternenpfahl? Junge, Junge, das ist auch nicht die erste Klopperei, die du mitmachst.«
»Glauben Sie, ich lasse mich von Ihnen schlagen? Wenn Sie mich schlagen, wehre ich mich!«
»Ich habe«, keucht der dicke Wachtmeister, unendlich schwitzend, »mehrfach ›Bahn frei‹ gerufen. Wenn Sie da nicht weggehen, müssen Sie eben mal an meinem Gummiknüppel riechen.«
»Wo soll ich denn weggehen, wenn alles vollsteht? Konnten Sie denn weggehen?«
»Sie haben«, bemerkt weise Schmidt, »Platz zu machen, wenn die Polizei ›Bahn frei‹ ruft. Wie Sie das machen, ist Ihre Sache.«
»Das nächstemal, wenn ich in euer verfluchtes Altholm komme, lasse ich mir Augen in den Arsch setzen, damit ich dich von hinten sehe, mein Junge«, knirscht wütend Rohwer.
»Immer ruhig«, sagt gelassen Perduzke. »Auf der Wache schreiben wir das alles schön auf, dann wollen wir die Köppe wohl klarkriegen.«
»Kiek mal«, sagt ein Bauer zum andern im Zuge. »Da führen sie einen Kommunisten ab.«
»Die roten Hunde wollen uns unsere Fahne nicht lassen.«
»Hast du gesehen, eben war die Fahne weg. Aber jetzt ist sie wieder da.«
»Die Polizei schützt den Zug.«
»Was ist da groß zu schützen! Die Sowjetbrüder sollen nur mit uns anfangen!«
Durch
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