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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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bestimmt, vernehmen: »Es geht ja immer nur auf die Arbeiter!«
    Plötzlich fängt sein Herz heftig an zu klopfen. Er schwitzt, fühlt er.
    Schade, denkt es in ihm, hätte ich fünf Minuten länger geschlafen, wäre der Zug vorbei gewesen.
    Er sieht zum Rathaus, das mit seinen roten Giebeln dort hinten liegt: Dort könnte ich sitzen, denkt er. Schade! Und denkt schon an ein anderes Dienstzimmer, dunkel, mit Butzenscheiben, schweren Eichenmöbeln. Ihr Gareis hat mir diese Suppe eingebrockt – hatte es nicht so geklungen?
    So. Oder ähnlich.
    Auf dem Fahrdamm, acht Meter ab, stehen Henning und Padberg.
    »Was ist das für ein Laffe?« fragt Padberg.
    |175| »Das ist der Polizeiobermuckermuck von Altholm. Ein Riesenroß.«
    »So sieht er auch aus.«
    »Du, der will was von uns.«
    »Aber wir nichts von ihm.«
    Der Oberinspektor kommt langsam die acht Meter Weg auf sie zu. So langsam er geht, seine Stimme klingt atemlos, als er zu den beiden sagt: »Meine Herren, diese Fahne … das geht doch nicht.«
    Und Henning: »Was geht nicht?«
    Aber der Oberinspektor: »Sie sehen ein … Wollen Sie die Fahne nicht in das Lokal zurückbringen?«
    Frerksen spricht leise, bemüht, jedes Wort sorgfältig zu artikulieren.
    »Die Fahne ist im Zug. Die Fahne bleibt im Zug«, sagt Padberg grob.
    Der Inspektor streckt die Hand gegen die Fahne aus.
    Henning hebt sie mit beiden Händen hoch an der Brust empor.
    Einmal. Zweimal. Dreimal.
    Die vordersten Bauern heben das linke Bein und setzen es wieder nieder, machten den ersten Schritt. Alles setzt sich in Bewegung.
    Frerksen sieht, wie der Abstand zwischen seiner Hand und dem Fahnenschaft größer wird und größer. Er fühlt sich geschoben, gestoßen. Große, geschlossene Gesichter kommen nahe auf ihn zu, Schultern stoßen ihn an.
    Hätt ich, denkt er atemlos …
    Er findet sich auf der freien Fahrbahn wieder.
    »Hätten Sie uns nicht rufen können?« fragt vorwurfsvoll Oberwachtmeister Maurer, der unter den Bäumen mit seinem Kollegen Schmidt patrouilliert.
    »Ja, natürlich«, sagt der Oberinspektor und starrt auf die Fahne, die schon zehn Meter weiter ist.
    »Drauflos! Laufschritt!« schreit er plötzlich. »Wir müssen die Fahne haben.«

    |176| 3

    Der Zug ist noch nicht zwanzig Schritte weitergekommen, als Frerksen sich mit seinen beiden Leuten in Trab setzt. Verständnislos starren die Bauern auf die vorbeilaufenden Polizisten. Nur die vordersten acht oder zehn Mann haben den Zwischenfall gesehen, aber auch die haben kaum verstanden, um was es sich handelte, so leise hat der Oberinspektor gesprochen.
    Frerksen hält beim Laufen den Griff des Säbels in der Hand, damit ihm die Scheide nicht zwischen die Beine kommt. Die Uniform behindert ihn. Er hat das Gefühl, als sähen alle Leute ihn an, der da auf der Fahrbahn läuft: die Bauern, die Leute auf den Gehsteigen, die Bürger Altholms in den Fenstern ihrer Wohnungen. Er glaubt, er sehe sehr weiß aus, und versucht im Laufen sein Gesicht zu befühlen (es ist rot), ihn friert. Plötzlich erinnert er sich, daß ihn die ganze Stadt nicht ausstehen kann, daß ihn nur Gareis hält.
    Daß Gareis schon in Urlaub ist! Daß er in seiner Wohnung sitzt! Er sollte mich nur so sehen, er würde mir helfen.
    Und, immer im Laufen, versucht er sich vorzustellen, wie Gareis diese Aufgabe lösen würde: Dieser Dickbauch, würde er so laufen? Dieses fette Schwein, da sitzt er in seiner Wohnung. Klugscheißen würde er, die Leute mit dem Schmus kriegen … Ich, ich schmuse nicht. Ich mag so was nicht …
    Hinter seinem Vorgesetzten läuft Oberwachtmeister Maurer. Was für ein Blödsinn! meditiert er. Frerksen macht doch immer solchen Käse. Wo sind denn die andern? Sollen wir drei etwa alleine …? Schmidt ist auch nicht mehr hinter mir. Na, jetzt ist es schon egal. Diese Dickköppe … Die Fahne wollen wir schon kriegen.
    Und Oberwachtmeister Schmidt, dick und maßlos schwitzend, in weitem Abstand hinterdrein. Natürlich ich, ausgerechnet ich darf wieder so laufen. Die Herren Kollegen lassen es sich auf dem Burstah wohl sein, und ich renne, daß ich einen Herzschlag kriege. Der dürre Langschinken Maurer kann so was mit seinen einhundertdreißig Pfunden, aber ich mit |177| zwei Zentnern zehn. Ich muß was für mein Gewicht tun, eine Zitronenkur …
    Überraschend taucht an der Spitze des Zuges Frerksen auf. Er schaut sich nicht um, stürzt auf Henning zu, faßt den Schaft der Fahne, schreit atemlos: »Ich beschlagnahme die Fahne! Hören Sie, ich

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