Bauern, Bonzen und Bomben
zehn Minuten auf dem Jugendspielplatz. Nicht vorher eingreifen, ehe ich mit Ihnen gesprochen habe. – Der Geheimbefehl? – Ja, den lese ich auch noch. – Ja, natürlich. Fahren Sie nur schon.
Fräulein! Fräulein! – Na, da hupt das Auto schon. – Also los. Der Geheimbefehl scheint geheim bleiben zu sollen.«
Er steht ächzend auf, sieht sich noch einmal um. »Na ja«, |203| seufzt er schwer. »Morgen zum Nordkap? Wir werden ja sehen.«
Fett und langsam schiebt er seine Masse durch die Tür, steigt stöhnend die Treppe hinab. »Los, Wertheim, Bahnhofswache.«
Die Straßen sind leer. Der Wagen stürmt los.
»Halt!«
Der Sanitätswagen der Feuerwehr fährt vorbei, Gareis stoppt ihn mit Winken.
»Wen haben Sie drin?«
»Zwei schwerverletzte Bauern.«
»Wie verletzt?«
»Säbelhiebe. Arme und Gesicht.«
»Noch mehr Verletzte?«
»Noch ein Bauer. Und ein Wachtmeister.«
»Schwer?«
»Der Wachtmeister wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung, meint Doktor Zenker. Der Bauer einen Säbelhieb über den Arm.«
»Noch mehr?«
»Soviel uns bekannt ist, nein, Herr Bürgermeister.«
»Keine Schußverletzungen?«
»Davon haben wir nichts gehört.«
»Gut, fahren Sie weiter.«
Gareis klettert prustend wieder in sein Auto, senkt die Lider, dreht über dem Bauch die Daumen.
Die Leute auf der Straße sagen: »Kiek es, unser Bürgermeister. Er ist zu fett, er schläft schon wieder. Freilich ist es heute heiß.«
Gareis denkt: Drei schwerverletzte Bauern, ein leichtverletzter Polizist. – Die Bauern sind nicht sehr aggressiv gewesen. – Ich hätte den Wrede noch in Grünhof lassen sollen. Vielleicht habe ich eben auch Mist gemacht.
Als er in die Bahnhofswache tritt, sieht er am Tisch hinten, im Halbdunkel, seinen Oberinspektor hocken, das Gesicht in den Händen, mit hochgezogenen Schultern.
|204| Na also! denkt er.
Und ganz strahlend: »Nun, Kinder, erzählt mal. Möglichst der Reihe nach. Sie zuerst, Kallene!«
Aber der Oberinspektor springt auf. »Ich melde gehorsamst, Herr Bürgermeister, wir haben die Fahne! Die Fahne ist beschlagnahmt und zur Hauptwache abtransportiert.«
»Was für ’ne Fahne?«
»Die Bauernfahne. Die schwarze Fahne mit der Sense darauf.«
»Eine Sense darauf?«
»Eine hochgeschmiedete Sense darauf. Ein Aufruhrzeichen. Ich habe sie beschlagnahmt.«
»Also, berichten Sie, Frerksen, der Reihe nach.«
Und Frerksen berichtet.
»Die Fahne war bedenklich. Das Publikum nahm Anstoß. Die Sense war gefährlich.«
Er schildert, wie er vorging. Einmal bat, ein zweites Mal forderte. Wie man ihn wegstieß, prügelte, den Säbel entriß.
»Sollte ich da nachgeben? Sollten die Bauern sie nun behalten dürfen? Ich habe sie dann holen lassen. Die Bauern leisteten erbitterten Widerstand. Soldin ist schwer verletzt …«
»Ich weiß.«
»Nun, erzählen Sie, Polizeimeister. Haben Sie die Fahne auch gesehen? Vor dem Kampfe, meine ich.«
Ja.«
»Schien sie Ihnen bedenklich?«
»Ich habe sie, offen gestanden, gar nicht beachtet. Sie hing da so runter, als ich mit meinen Leuten vorbeikam am Tucher. Man sieht ja so viele Fahnen …«
»Na ja. Und wie ist das mit Ihnen, Pinkus? Herr Pressemensch, was sagt das Publikum?«
»Die Arbeiterschaft ist empört. Was wollen die Bauern bei uns! Sie waren derartig aggressiv, diese Bombenschmeißer! Genosse Gareis, ich sage Ihnen, die Arbeiterschaft wird sich |205| das nicht bieten lassen. Wir sind links hier in Altholm, hier ist kein Platz für rechtsradikale Demonstrationen …«
»Gut. Gut. Danke schön. Also …« Der Dicke versinkt in Nachdenken. Die Uhr in der Wache geht laut: Tick … ticke … tacke … So still ist es.
Sie haben die Suppe angerührt, denkt der Bürgermeister. Wir müssen weiter davon essen. Stehenbleiben darf sie jetzt nicht.
Trübe: Was soll ich untersuchen, ob alles richtig war? Wir machen alle Fehler. Was ist es schließlich? Ein kleiner Zwischenfall bei einer Demonstration, eine Holzerei. Berlin hat das alle Tage. Es darf kein Pressegeschrei geben, dann ist es in einer Woche vergessen. Aber das Angefangene muß zu Ende geführt werden. Ich kann die Schupo nicht zurückpfeifen.
Er fragt: »Wo sind die Bauern jetzt?«
»Sie werden grade in die Auktionshalle einrücken. Zu ihrer Versammlung. Ich lasse den Zug polizeilich eskortieren.«
»Schön. Schön.«
Tick … ticke … tacke geht die Uhr.
Sie glotzen auf mich, als wäre ich der Weihnachtsmann. Frerksen starrt wie ein abgestochenes Kalb. Dabei ist es so einfach.
Weitere Kostenlose Bücher