Bauern, Bonzen und Bomben
schon«, sagt trocken Feinbube.
»Ein schönes Haus, das sich hier die Landwirtschaft geschaffen hat. Das Ministerium gab Zuschüsse?«
»Das möchten Sie wissen«, stellt der Rat fest.
»Ganz belanglos. – Ob man hier irgendwo austreten kann? Diese Tür …«
»Halt!« ruft Feinbube. »Da geht es in den Saal.«
Aber der Eskortierte ist ihm schon entschlüpft. Feinbube will ihm nach, aber der Saal ist gedrängt voll, in den Massen ist der Kriminalist untergetaucht, und als Feinbube nach ihm fragen will, rufen die Bauern empört nach Ruhe.
Auf der Bühne steht einer und spricht …
Es ist Vadder Benthin, ol Mottenkopp, wie sie ihn nennen, der den Sprecher macht. Da steht er, mit seinem scheckigen Schädel, einer schmutzigen Joppe, einer Zwirnhose, schmierige Stiefel an den Füßen. Er ist ein alter Mann, und die Leute lachen über ihn, weil seine junge Frau noch ein Baby gekriegt hat, das sicher nicht von ihm ist.
Aber er spricht.
Er ist der einzige, der sich hinausgewagt hat, vor die dreitausend Bauern. Er spricht langsam und mühsam, in kurzen Sätzen, zwischen denen er mit halbgeschlossenen Augen dasteht und nachzudenken scheint oder zu schlafen. Aber er spricht grade recht für sein Auditorium, das Eile nicht liebt.
»Er hat mir«, sagt er grade, als Feinbube in den Saal kommt, »die Hand geschüttelt, er hat mir gesagt: ›Wir wollen uns beide als Altholmsche in die Hand versprechen, daß nichts geschieht.‹ Dann hat er es so gemacht.
Den jungen Mann haben sie zum Krüppel gehauen. Und andere haben sie auch blutig gehauen. Und warum? Um eine Fahne.
Liebe Bauersleute, ich wohne nun mein Leben in Altholm, und Altholm ist vor dem Kriege schon rot gewesen. Na, laß sie, habe ich gedacht, jeder muß wissen, wohin er gehört …
|209| Und in diesen letzten Jahren nach der Revolution habe ich viele Fahnen gesehen. Rote … andere …
Und was die Kommunisten sind, die haben Strohpuppen rumgetragen. Die eine war der Oberbürgermeister und eine unser Feldmarschall Hindenburg. An einem Galgen haben sie die getragen.
Wir haben hier eine schwarze Fahne gehabt. Und schwarz war sie, weil wir trauern um unser liebes deutsches Vaterland. Und ein weißer Pflug ist darauf, weil wir Bauern sind und pflügen das Land, und der Pflug ist das Beste auf der Welt. Und ein rotes Schwert, weil nur vom Kampf der Sieg kommen kann …
Die mit dem Galgen sind frei rumgezogen, aber uns haben sie die Fahne genommen.
Ja, fragt ihr mich, liebe Landleute, warum haben wir denn unsere Fahne nicht verteidigt? Wir sind doch so viele, und Polizei sind so wenige, und Jungbauern mit starken Knochen haben wir auch genug.
Bauern von Pommern, ich sage euch, wir haben uns die Fahne wegnehmen lassen, weil wir gehorsam sind unserer lieben Regierung. Weil wir uns alles wegnehmen lassen von ihr.
Unsern Bruder Reimers haben sie uns genommen und heute auch den Rohwer weggeführt ins Kittchen.
Und das Vieh holen sie aus den Ställen und die Pferde. Und die Ernte auf dem Halm pfänden sie, und von unsern Höfen jagen sie uns fort.
Ja, fragt ihr wieder, warum lassen wir denn das zu? Haben wir nicht Vertreter? Kreistagsabgeordnete? Landtagsabgeordnete? Reichstagsabgeordnete? Eine Landwirtschaftskammer und einen Deutschen Landwirtschaftsrat? Warum wehren sich die denn nicht? Warum schreien die denn nicht?
Liebe Bauern, die schreien schon. Wenn sie hier sind. Aber dann gehen sie nach Berlin. Und dann kommen sie wieder. Und dann ist plötzlich alles ganz anders geworden. Wir müssen es dann einsehen, daß es so nicht geht, wie wir es uns gedacht haben. Und daß die Steuern sein müssen und noch viel mehr Steuern.
|210| Und wir sehen es ja dann auch ein …
Und wenn ihr mich fragt, so sage ich euch: Liebe Landleute, Steuern müßt ihr zahlen, und noch viel mehr Steuern müßt ihr zahlen. Freuen müßt ihr euch, daß ihr soviel Steuern zahlen dürft und daß sie euch euer Vieh fortnehmen und die Höfe …
Je weniger ihr habt, um so geringer wird dann auch eure Steuerlast. Und wenn ihr gar nichts mehr habt, dann sorgt die liebe Regierung für euch, wie sie für eure Eltern gesorgt hat, die sich ein paar Tausend gespart hatten und die jetzt aufs Wohlfahrtsamt gehen und sich einen feinen Titel erworben haben: Sozialrentner!
Zahlen müßt ihr Steuern bis zum Weißbluten, das sage ich euch. Bis ihr nicht mehr könnt, bis ihr keinen Murr habt in den Knochen, bis ihr halb verhungert seid. Dann macht ihr der lieben Regierung in Berlin keinen Kummer mehr,
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