Bauern, Bonzen und Bomben
verstehen Sie mich recht, meine Leitung beschränkt sich auf das Kaufmännische, berührt Sie also kaum. Im Redaktionellen sind Sie frei. Das heißt, wir besprechen gelegentlich die großen Richtlinien. Aber Sie sind sonst völlig frei, kennen ja auch Ihren Leserkreis am besten.«
»Ich könnte also über die heutigen Unruhen schreiben, wie ich dürfte?«
»Unruhen? Ach so, da sind einige Zusammenstöße gewesen. Bauern, nicht wahr? Haben Sie Interesse an Bauern?«
»Doch. Ja.«
»Ich meine finanzielles Interesse. Sind Bauern wesentlich Abonnenten der ›Chronik‹?«
»Wesentlich? Nein.«
»Warum also? Wollen Sie denn gegen die Bauern Partei ergreifen?«
»Ich will über das unerhörte Vorgehen der Polizei berichten.«
»Lieber Herr Stuff! Mit der Polizei sollte es eine Zeitung nie verderben!«
»Aber es betrifft nur die Polizeileitung. Und die ist rot.«
»Ja, schon. Aber es ist städtische Polizei, nicht wahr? Eine städtische Einrichtung. Wissen Sie übrigens, warum der Oberbürgermeister jetzt grade verreist ist?«
|219| »Er fährt jedes Jahr um diese Zeit. Seine Schwiegereltern haben Hochzeitstag.«
»So. Sie meinen also nicht, daß er diesen Zusammenstößen hat aus dem Wege gehen wollen?«
»Nein. Nicht doch. Davon hat er keine Ahnung gehabt.«
»Nun gut. Wenn Sie sicher sind …? Sie meinen also, es waren nur die Roten?«
»Die ganze Geschichte ist von den Roten angezettelt. Und im Herbst haben wir Kommunalwahlen.«
»Also gut, Herr Stuff, schlagen Sie los. Nicht zu scharf, nun, Sie wissen schon. Wir in den ›Nachrichten‹ werden wohl eine abwartende Haltung einnehmen, wir haben zu viele Arbeiterleser.«
»In der Hauptsache.«
»Nein, nein, nicht so. Aber viele.«
Sie sehen sich beide an, freundlich lächelnd. Dann taucht der dicke Stuff aus seinem Ledersessel auf, etwas keuchend. »Ich werde dann also zu mir gehen und meinen Riemen für morgen schreiben.«
»Ja? – Und noch eins, Herr Stuff: Offiziell haben wir natürlich nichts miteinander zu tun. Es muß das geheim bleiben. Streng geheim.«
»Wenn ich Sie sprechen will …«
»… so kommen Sie am Abend wie heute. Nein, kein Telefon. Alles spricht sich herum.«
»Gut«, sagt Stuff und streckt, schon an der Tür, seinem Chef die Hand entgegen.
»Richtig«, sagt der. »Da fällt mir noch etwas ein. Wir haben noch gar nicht über die Gehaltfrage gesprochen. Wie man so etwas vergessen kann!« Und er lacht, etwas gepreßt.
»Gehaltfrage …?« fragt Stuff erstaunt. »Gibt es da eine Frage? Ich bekam bei Schabbelt fünfhundert und Vertrauensspesen.«
»Lieber Herr Stuff!« Gebhardt lächelt. »Sie müssen verstehen, daß das nicht geht. Grade daran ist Schabbelt kaputtgegangen.«
|220| »Wieso?! An meinem Gehalt? Das ist doch lächerlich.«
»Nicht an Ihrem Gehalt allein – bitte, erregen Sie sich nicht –, aber überhaupt an der aufgeblähten Unkostenseite. Fünfhundert Mark und Vertrauensspesen. Nein, nein, das kommt nie in Frage.«
Stuff ist finster geworden. »Was kommt denn in Frage?«
»Nun, was soll ich sagen? Ich bin wahrhaftig kein Jude, ich will Sie nicht drücken. Ich gehe bis an die Grenze des Tragbaren, ja, darüber hinaus. Ich sage dreihundert.«
»Unsinn!« sagt Stuff. »Quatsch. Ich denke gar nicht daran.«
»Lieber Herr Stuff. Ich bin natürlich gerne bereit, Sie mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aus Ihrem Vertrage zu entlassen. Das wäre der erste Oktober.«
»Ich habe überhaupt keinen Vertrag mit Ihnen! Ich kann jede Stunde Schluß machen.«
»Es gibt so viele junge federgewandte Menschen. Das schreibt schließlich jeder. Und das meiste liefern ja doch die Korrespondenzen.«
»Also, reden wir nicht lange«, erklärt Stuff. »Was ist Ihr äußerstes Wort?«
»Ich will Ihnen entgegenkommen. Mein Prokurist, Herr Trautmann, wird empört sein, aber ich sage: dreihundertzwanzig!«
»Fünfhundert!« verlangt Stuff. »Und die Spesen.«
»Sie sind nicht mehr ganz jung«, sagt Gebhardt vorsichtig. »Und aufgeblüht ist die ›Chronik‹ unter Ihrer Redaktion auch nicht grade.«
»Die Leute«, bemerkt Stuff träumerisch, »meinen, daß Sie, Herr Gebhardt, Ihren Namen nicht zu Unrecht tragen. Wortspiele über Geben und Hartsein stellen sich zwanglos ein.«
»Dreihundertdreißig.«
»Wäre es Ihnen denn angenehm, Herr Gebhardt, wenn ich jetzt ausschiede? Die Übernahme der ›Chronik‹ könnte dann kein Geheimnis mehr bleiben.«
»Aber das grenzt an Erpressung«, schreit Gebhardt. »Verlangen
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