Bauern, Bonzen und Bomben
aus seiner Zelle in den Arrestraum geschafft, der je nach Bedarf mal Arrestraum, mal Tobzelle heißt.
In jedem Gefängnis gibt es zwei Arten von Wachtmeistern: Diejenigen, welche Tredup transportierten, gab es nach der Strafvollzugsordnung des preußischen Justizministeriums eigentlich gar nicht mehr.
Sie hatten ihn unter den Armen gefaßt und mit Hallo durch das brüllende Gefängnis über Gänge und Treppen geschleppt. Dabei hatten sie es so eingerichtet, daß seine Schienbeine möglichst häufig und möglichst heftig gegen eiserne Stufen und Geländerteile schlugen. Am Ende der Treppe, als nur noch zehn, zwölf Stufen übrig waren, hatten sie den Aufrührer plötzlich losgelassen, und er war wie ein Sack, sich überschlagend, die Stufen hinabgerollt auf den Zementboden des Flurs, wo er endgültig liegenblieb.
Dann hatten sie ihm dienstlich befohlen, aufzustehen, ihn ermahnt, nicht zu simulieren, auf die Folgen seiner Weigerung aufmerksam gemacht und ihn schließlich, als alles nichts half, |224| in die Tobzelle geschleppt, auf die Pritsche geworfen, ihm die Hosenträger abgeknöpft, damit er nicht auf törichte Ideen komme, und allein gelassen.
Tredup hatte dagelegen, halb besinnungslos, stundenlang. Eben noch schien er, ungeduldig wohl, aber doch einigermaßen untergebracht, in seiner Zelle gesessen zu haben. Dann war der komische spitzbärtige Wachtmeister gekommen und hatte ihn überredet, nach den Bauern zu schreien, was sofortige Freilassung zur Folge haben sollte. Dann hatte das Haus losgetobt wie ein wahnsinnig gewordenes Tier, und dann hatten sie ihn behandelt … Sie hatten ihn kaputtgemacht … Das waren also diese Gefängnisse …
Aufruhr, hatten sie gesagt, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Meuterei … Gab es Gefängnis dafür? Zuchthaus? Wie lange?
Es ist eine Art Vogelbauer, in dem er liegt, mit lächerlich dicken Eisenstäben, halb dunkel, und mit nackten Wänden, die Eiseskälte atmen. Nur eine Holzpritsche, auf einem Steinfundament festgemacht, keine Decke, kein Schemel, nichts.
Wenn ich hier, denkt er, einen Tag bleiben muß, eine Nacht, ich werde verrückt.
Ein Doppelschlag gegen die Tür läßt ihn auffahren. Eine Stimme sagt irgend etwas.
»Ja, bitte?« fragt er verwirrt.
»Ob du scheißen willst?« brüllt es von draußen.
»Was? Wie? – Nein, ich will nicht.«
Draußen hört er reden. Dann klirren Schlüssel, ein Wachtmeister kommt herein, aber er steht in der andern Hälfte des Raums, jenseits der Gitterstangen.
»Wollen Sie nicht Ihre Notdurft verrichten?« fragt der Wachtmeister freundlich. Und zum Gefangenen in Blau, der mit einem Kübel in den Händen eingetreten ist: »So fragt man das. Wie Sie das machen, ist es keine Art.«
»So ein Schwein«, murrt der Mitgefangene bösen Blicks. »Hier den ganzen Bau rebellisch zu machen!«
|225| »Das geht Sie gar nichts an«, sagt der Wachtmeister entschieden. »Also, wie ist es mit Ihnen? Nein? Versuchen Sie es vielleicht? Wir kommen erst morgen früh wieder. Einen Kübel dürfen wir Ihnen nicht lassen, weil Sie getobt haben.«
»Nein, ich danke wirklich. Aber wenn ich eine Decke haben könnte? Hier ist es so kalt.«
»Ja, natürlich. Ihnen stehen zwei Decken zu. Bögge, holen Sie die gleich.« Und als der Gefangene aus der Zelle ist: »Sie haben da ein Ding in der Wand, wir nennen es eine Fagge. Die brauchen Sie nur rauszuschieben, wenn es nötig ist, nachts.« Leiser: »Aber tun Sie es nur, wenn es ganz nötig ist. Der Nachtdienst wird auch nicht gerne gestört. So, hier haben Sie Ihre Decken.«
Es ist wieder still in der Zelle, langsam wird es dunkler. Tredup möchte an sein vergrabenes Geld denken, dann, wie er von hier fort will, sich eine andere Zukunft machen. Ob dieser nette Wachtmeister ihn rausließe, wenn er ihm fünfhundert Mark böte?
Plötzlich flammt das Licht auf an der Zellendecke. Wieder klirrt der Zellenschlüssel. Ein dicker Mann mit einem Gesicht wie eine Bulldogge tritt ein, gefolgt von einem Wachtmeister, beide in weißen Mänteln.
»Das ist der Kerl«, fragt der Dicke, »der den Krach gemacht hat? Na, sehen Sie, Troschke, das ist ein Simulant, wie er im Buch steht. Geben Sie Ihre Hand her«, grobst er. »Hier durch das Gitter!
Ganz ruhiger Puls, jetzt natürlich ein bißchen Herzpuppern. Haben wir Angst, was? Müssen wir die Suppe nun ausfressen, wie? Nun kommen die Folgen, he?«
Wieder: »Warum haben Sie aus dem Fenster gebrüllt?«
»Ich weiß nicht … Ich hielt es nicht mehr aus …«
Der
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