Bauern, Bonzen und Bomben
Sie, daß ich Ihnen Ihr Maul vergolde?«
|221| »Verzeihen Sie, meine Herren«, klingt eine fette Stimme vom Eingange her. »Das Saumtier sucht im Nebel seinen Pfad. Ich fand niemanden, der mich anmeldete. Guten Abend, meine Herren.«
»Guten Abend, Herr Bürgermeister«, sagt Stuff.
6
Gareis streckt, würdig lächelnd, seine kleine fette Hand aus dem Ellbogengelenk den Herren hin, und Stuff darf feststellen, daß sein neuer Chef nicht nur vor ihm solch schuljungenhaft tiefe Tanzstundendiener macht. Er bewundert erneut das krause schwarze Krollhaar im Nacken.
»Die feindlichen Brüder einmal unter einem Dach?« fragt der Bürgermeister und blickt von dem verlegen-wütenden Verleger zum mürrischen Stuff. »In der Abendstunde finden wir unsern Weg? Oh, das liebe Publikum sollte wissen …«
»Es war eine ganz belanglose, uninteressante Besprechung«, sagt kurz Gebhardt.
»Sie war sehr laut, und uninteressant fand ich sie nicht. Nun, gleichviel …« Des Bürgermeisters Gesicht verändert sich, wird ernst. Zwischen den Fettwulsten liegen kluge Augen. »Ich komme zu guter Stunde, da ich die Vertreter der maßgebenden Presse beisammen finde. Ich komme selbst zu Ihnen, mich Ihrer Unparteilichkeit zu versichern. Sie, Herr Stuff, schienen heute meinem Oberinspektor sehr voreingenommen.«
»Voreingenommen? Nein.«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Sie mögen ihn nicht, gut. Aber, meine Herren, überlegen Sie genau, was Sie tun, ehe Sie was tun. Die Polizei steht voll zu dem, was geschehen ist. Sie hat die Regierung hinter sich. Sie hat aber auch die Arbeiterschaft – und die Arbeiterschaft, das ist Altholm – für sich. Stellen Sie sich gegen die Polizei, so stellen Sie sich gegen Ihre eigene Stadt – Vaterstadt sagt man gerne in diesem Hause –, so stellen Sie sich gegen die eigenen Interessen.«
|222| »Ich glaube, Herr Bürgermeister, Sie überschätzen die heutigen Ereignisse. Das wird morgen eine lokale Spitze geben, dann noch zwei oder drei Notizen, in einem halben Jahre eine Gerichtsverhandlung – und alles ist vergessen.«
»Das glaube ich nicht«, widerspricht Stuff seinem Chef. »Der Kampf fängt erst an.«
»Und auf welcher Seite werden wir Sie sehen, Herr Stuff?«
»Ich bin ein einfacher Redakteur«, sagt Stuff.
»Ein Redakteur, gewiß«, nickt der Bürgermeister mit Mißbilligung. Und zum Zeitungsbesitzer gewendet: »Nebenbei: Sie wissen, daß der Magistrat beschlossen hat, der ›Chronik‹ die amtlichen Bekanntmachungen zu entziehen?«
»Unmöglich!« schreit Gebhardt. »Davon hat mir Schabbelt kein Wort beim Verkauf gesagt.«
Und Stuff, zwei Sekunden zu spät: »Das ist kein Magistratsbeschluß!«
Der Bürgermeister lächelt, er sieht klar. Er wendet sich ganz an Gebhardt, und auf der andern Seite, im Dunkeln, bleibt Stuff. »Also, Herr Gebhardt, Ihre Zeitung nennt sich Heimatblatt, und Ihre Leser sind Arbeiter. Ich denke doch, Sie werden sie im Interesse der Heimatstadt unterrichten?«
»Im Interesse der Heimatstadt, ja«, sagt vorsichtig Gebhardt.
»Das heißt … verstehen Sie wohl, es ist im Augenblick so leicht, einem gewissen Stimmungsdruck nachzugeben. Man muß auch einmal unpopulär sein können. Sie bekommen morgen unsern amtlichen Bericht. Halten Sie sich an ihn.«
»Wir werden zweifelsohne den amtlichen Bericht veröffentlichen.«
»Ich übe«, sagt der Bürgermeister, »ungern einen Druck aus. Aber diese Sache wird durchgefochten werden. Ich hoffe es, aber ich bin mir nicht sicher, daß ich diesmal Sie auf meiner Seite finden werde. Es ist nicht die Seite der SPD, die rote Seite, die Bonzenseite, wie Sie vielleicht jetzt glauben. Es ist die Seite der Ordnung, des Aufbaus, der Arbeit. Die Wahl müßte leicht sein …«
|223| Die beiden Herren schauen vor sich hin. Der Bürgermeister sieht kummervoll von einem zum andern.
Schon erhebt er sich, und in ganz verändertem Ton: »Also, gute Nacht, meine Herren. Gute Nacht. – Über Gehaltsfragen wird man sich am Ende immer einig, wenn man im Prinzipiellen so einverstanden ist wie Sie beide.«
Schon auf dem Gange: »Bitte, bemühen Sie sich nicht, Herr Stuff. Ich finde auch ohne Licht. Und man könnte Sie sehen. Wirklich. Gute Nacht!«
Stuff, wieder zu Gebhardt: »Herrgott, was für ein Schwein! Was für ein Schwein!«
Und Gebhardt, sauersüß lächelnd: »Etwas stachlig, der rote Herr, was?«
7
Tredup hatte geschrien aus dem Fenster des Gefängnisses bis ihn Hände von hinten packten, hinunterzerrten.
Man hatte ihn
Weitere Kostenlose Bücher