Bauern, Bonzen und Bomben
Angriff auf die rote Rotte verbietet. Es wäre der schönste Lebensabend gewesen, noch einmal, verbrauchter, glaubensloser Pressehengst, der er ist, mit gutem Glauben den Kampf für eine gute Sache führen zu dürfen.
Er darf es nicht. Er muß zahm sein, wie immer. Kleine Stiche vielleicht, aber die Rücksicht auf die rote Mehrheit im Stadtverordnetenkollegium …
Und ich schmiere dich doch aus! Es mag gehen, wie es will!
Er blinzelt nach einem Fenster, das hell durch Gebüsch zu ihm blinkt. Krankenhaus, denkt er. Die krepieren und gebären immer feste weiter. Was das für einen Sinn hat …
Der im Licht der blinkenden Lampe liegt, denkt nicht daran zu krepieren. Henning liegt, halb beduselt von etwas Morphium, in Wachträumen. Wieder schwenkt er die Fahne. Sie rauscht herrlich durch den blaugoldenen Tag.
Und plötzlich sind viele Männer da, das Zimmer ist so voll von Schatten. Richtig, sie halten Wache, sie haben ihm ja gesagt, daß er hier als Polizeigefangener liegt. Keine Kleider im Zimmer, nichts wie das Nachthemd auf dem Leibe.
Aber es eilt noch nicht. Wenn es soweit ist, ich türme immer, auch aus dem ZG. Man wird Wachtmeister Gruen sagen müssen, daß er auf Tredup ein Auge hat. Es wäre schlecht, wenn sie jetzt erführen, daß ich auch in der Bombengeschichte hänge.
Gruen aber ist suchen. Er streicht über die Schuttabladeplätze der Stadt, er sucht, ein verdrehter Hexerich, drei Dinge: eine |232| Konservenbüchse, einen Karton und einen zerbrochenen Wecker. Er grinst wie ein Affe, und das Bärtchen am Kinn zittert und tanzt.
Nehmen Sie das auf Ihren Beamteneid?
Gewiß nehm ich das auf meinen Beamteneid, Herr Direktor.
Der Untersuchungsgefangene Tredup behauptet bestimmt, Sie hätten ihm eingeredet, die Bauern zu alarmieren. Der träumt ja. Ich war unten auf C 1, habe Wasser ausgegeben.
Beamteneid. Wahrhaftig! Wie die sich haben mit ihrem bissel Republikeid, und ganz ohne den lieben Gott, Verfassung … na ja, was man so Verfassung nennt … Die Konservenbüchse wäre da.
Im Ehebett, der Polizeioberinspektor Frerksen, hält seine Frau im Arm.
»Es war ein schrecklicher Tag, Änne. Aber ich habe richtig gehandelt. Alles steht hinter mir.«
»Und Gareis? Was hat Gareis gesagt?«
»Gareis zählt nicht. Einer von der Regierung, ein ganz Geheimer, hat mir gesagt, ich habe den Laden geschmissen.«
»Und die Verletzten? Sind sie schwer verletzt?«
»Die sind alle verhaftet. Aufrührer, wer soll mit denen Mitleid haben? – Was raschelst du, Hans? Warum schläfst du nicht?«
»Ich muß mal, Vater.«
»Man muß nicht müssen, mitten in der Nacht. Man beherrscht sich. Na, geh schon aufs Klosett. Aber leise, daß keiner was merkt.«
Leise müht sich auch Thiel zu sein, der im Stolper Gerichtsgefängnis den letzten Grat an den Gitterstäben seiner Zelle durchsägt. Wer durch den Schlund jenes Bücklings, den es einmal die Woche als Beikost gibt, Stahlfeilen gespießt findet, versteht schon den Wink. Nur, daß es ein wenig lange dauerte, bis er zum Ziele kam.
|233| Heute nacht aber ist es soweit. Die Decken, zerrissen und zu einer Leine aneinandergeknüpft, liegen schon auf seinem Bett. Und ist er erst auf dem Hof, ist er auch schon in Freiheit. Er ist noch lange nicht verurteilt wegen Bombenschmeißens.
Er hebt vorsichtig die ausgesägte Ecke Gitter aus, genau berechnet nach seinem Leibesumfang, legt sie auf sein Bett. Am stehengebliebenen Stummel knüpft er die Leine fest und schwingt sich in die Öffnung.
Er lauscht. Sein Herz klopft so schnell nicht, wie er gefürchtet hatte, seine Hände sind fest.
Ganz dunkel ist die Nacht. Ganz still sind die Straßen. Und oben funkeln die Sterne.
Ja, ich war ein kleiner Angestellter und wußte nichts wie Zahlen. Und plötzlich bin ich etwas ganz anderes, und es ist auch so recht. Aber dem Henning werde ich Bescheid stoßen, daß er mich hat sitzenlassen. Wenn nicht die Feilen von ihm waren. – Also los!
Er faßt das Seil und läßt sich hinab ins Dunkel.
Im Dunkeln steht auch Padberg, in einem dunklen Hausflur gegenüber der Redaktion der »Bauernschaft«. Er späht nach den Fenstern seines Arbeitszimmers, die auch dunkel sind. Dunkel scheinen. Aber zweimal hat er jetzt dort ein Licht aufblitzen sehen, ein feines Strählchen, er hat sich nicht getäuscht.
Der Kerl ist wieder beim Stöbern. Wie er nur reinkommt? Durch den Vordereingang bestimmt nicht, durch die Hintertür auch nicht, bleibt …? Dach oder Keller! Dann wohnt er in diesem Block,
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