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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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zum Telefonieren in Henrik Korbs Büro gegangen, damit sie ungestört mit
Hambrock reden konnte.
    Wie üblich war sein Büro ein Saustall. Die Putzkolonne kümmerte sich
zwar um Fußböden und Mülleimer, für die Schreibtische waren die Beamten aber
selber zuständig. Henrik Korb war, was Ordnung und Sauberkeit anging, nicht
besonders pingelig. Auf seiner Tischplatte türmten sich fleckige und
zerknitterte Unterlagen, eingetrocknete Kaffeetassen standen herum, ein
überfüllter Aschenbecher und ein paar leere Hamburgerverpackungen.
    Sie wischte sich die Hände an der Hose ab und sah durchs Fenster auf
den Parkplatz. Ein Gruppenwagen fuhr vor. Zwei Streifenpolizisten sprangen
heraus und zerrten einen Mann zum Gebäude. Er war etwas älter, trug Kleidung,
die schon vor zehn Jahren nicht mehr modern gewesen war, und hatte lange
fettige Haare. Er wehrte sich aus Leibeskräften und schrie wild herum.
Versehentlich lockerte einer der Beamten den Polizeigriff. Der Mann befreite
einen Arm und schlug sofort um sich. Die Kollegen packten ihn jetzt härter an,
ignorierten sein Gebrüll und schoben ihn durch den Eingang.
    Heike verließ das Büro und ging nach unten. Sie hörte den Mann durch
die Korridore rufen.
    »Nehmt eure dreckigen Hände weg! Ich hab nichts getan! Ihr
verdammten Schweine!«
    Als sie das Erdgeschoss erreichte, wurde es ruhiger. Der Mann war in
den Vernehmungsraum gesperrt worden. Ein paar Mal schlug er von innen gegen die
Tür, dann gab er auf.
    Henrik Korb kam ihr entgegen.
    »Was ist denn hier los?«, fragte sie.
    Er versuchte erfolglos, ein Grinsen zu unterdrücken.
    »Das war Werner Zumbülte. Die Kollegen haben ihn vor seiner Wohnung
aufgegriffen, er war nur kurz Zigaretten holen.«
    Sie blickte mit leichtem Unbehagen zum Vernehmungsraum.
    »Sieht nicht so aus, als wäre er freiwillig mitgekommen.«
    »Der beruhigt sich schon.« Süffisant fügte er hinzu: »Jedenfalls
gehört er jetzt dir. Wir sind draußen. Du kannst ihn dir vorknöpfen.« Er
prostete ihr mit seinem Kaffeebecher zu. »Viel Spaß.«

22
    Die Einsegnungshalle auf dem Friedhof war bis auf den
letzten Platz gefüllt. Draußen drängten sich ebenfalls die Menschen – keiner
hatte es sich nehmen lassen, Ludwig Schulze Ahlerkamp die letzte Ehre zu
erweisen. Annika fragte sich, ob ebenso viele Leute gekommen wären, wenn er an
einem Herzinfarkt gestorben wäre. Wenn man einen großen Abgang will, muss man
sich offenbar einfach ermorden lassen, dachte sie.
    Die Nachbarn standen in schwarzer Trauerkleidung in der prallen
Herbstsonne und schwitzten. Sie beteten den Rosenkranz. Tante Ada hatte die
Rolle der Vorbeterin übernommen, ihre laute, getragene Stimme schwebte über der
Gemeinde. »… gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus, der für uns gegeißelt
worden ist.«
    Annika sah sich um. Am Rande der Trauergemeinde entdeckte sie
Bernhard und Erlend. Erlend bemerkte ihren Blick und deutete einen Gruß an.
Bernhard konzentrierte sich auf das Geschehen vor der Friedhofshalle. Mit
seinem schwarzen Anzug und der würdevollen Haltung wirkte er gar nicht wie ein
Polizist, eher wie einer der Nachbarn.
    Der Pfarrer erschien auf dem Hauptweg, flankiert von festlich
gekleideten Messdienern. Annika verschwand kurz in einer Weihrauchwolke, dann
war die kleine Prozession vorüber und betrat die Friedhofshalle. Die Nachbarn
verstummten, der Pfarrer begann mit der Zeremonie.
    Marita beugte sich zu ihr. »Ich glaube, ich hab den Herd angelassen,
da denke ich schon die ganze Zeit drüber nach.«
    »Er ist nicht an«, flüsterte sie zurück. »Das hättest du gemerkt,
als du mit dem Lappen über die Platten gegangen bist.«
    »Meinst du?« Sie zupfte ihr Kostüm zurecht, offenbar langweilte sie
sich. »Ich würde ja Manfred gerne mein Beileid aussprechen. Aber seit ich ihn
zur Bierkönigin gewählt habe, ist er immer so komisch. Ich weiß gar nicht, wie
ich das formulieren soll, ohne dass es falsch ankommt.«
    »Vielleicht lässt du es besser.«
    »Hm … ich weiß nicht.« Sie blickte sich um. »Mein Gott, diese
Beerdigungen sind echt deprimierend.« Aus der Halle drangen gedämpft die
Totengebete des Pfarrers. Marita seufzte. »Ich kann mir gar nicht vorstellen,
dass Werner Zumbülte jetzt hinter allem stecken soll. Er scheint mir gar nicht
der Typ für so was zu sein. Was denkst du darüber?«
    Annika zuckte nur die Schultern. Bevor sie sich auf den Weg zur Beerdigung
gemacht hatten, war sie in ihr Zimmer gegangen, um sich noch einmal die

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