Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Fuchs-Mühle, wie sie nach dem Geburtsnamen von Eva Kaiser hieß, befand sich hingegen in einer alten Fabrikhalle bei Rivenich, die einstmals Teil eines größeren Gewerbebetriebs gewesen war. Man gab sich Mühe, den Endzeiteindruck zu vertreiben. Der Parkplatz war schön gepflastert, und auch den rissigen Beton hatte man mit warmen Farben überstrichen. Außerdem würden die begrünten Ränder im Sommer üppig bewachsen sein, doch schräg hinter dieser Fassade ragten unansehnliche Silos und noch weiter entfernt verfallende Hallen und Lager in den Himmel, die an Industriebrachen erinnerten.
»Was ist das denn für ein Laden?«, bestätigte Steinrausch ihre Empfindungen, während sie auf den Eingang zugingen.
Sie hatten sich am Morgen über die Ölmühle informiert und herausgefunden, dass Sandra Görgen die Geschäfte führte und ähnlich viel Geld aus dem Betrieb zog, wie Eva Kaiser.
Die Mühle gehörte zu den vielen Betrieben, die in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen waren, um Rapsöl in Treibstoff umzuwandeln. Dem Internetauftritt zufolge wurden in einer zweiten Produktionsschiene Speiseöle aus Raps, Traubenkernen und Walnüssen hergestellt.
Im Inneren hatte man neben dem Eingang einen kleinen Verkaufsraum geschaffen und in Vitrinen weiße Glasflaschen ausgestellt, die unterschiedliche Öle zu enthalten schienen. Rechts befand sich das Büro, die Tür war weit geöffnet. Doch der Raum war leer, und Sophie schaute fragend zu Steinrausch. Der zuckte nur die Schultern und trat an einen der beiden Schreibtische. Darauf befand sich das übliche Chaos aus Belegen, Notizen, Stiften und einer Tasse mit kaltem Kaffee rund um den Monitor, der dem Microsoft-Bildschirmschoner Platz für seine Runden bot. Die Stille in dem völlig überheizten Zimmer wurde nur von einem leisen Zischen und Brummen unterbrochen, das aus dem rückwärtigen Teil des Gebäudes zu ihnen herüberdrang.
»Hier geht’s ja richtig ab«, grinste sie breit und bezog Position neben der Tür, die nach hinten führte, während Steinrausch die Papiere sondierte.
»Gelegenheit macht eben Diebe.« Er hob sein Handy, fokussierte und lichtete einzelne Blätter ab, die er eins nach dem anderen vom Stapel nahm. Da sich nichts rührte, überflog er die Rücken der Ordner, die den Schrank füllten. »Rechnungen.« Er blätterte. »Alleenhof, wen wundert’s?«
Sophie hielt den Atem an. Plötzlich wurde irgendwo eine Tür geöffnet, denn die summenden Geräusche schwollen kurz an, um nach einigen Augenblicken wieder in die vorherige Tonlage zurückzufallen. Sie feixte zu Steinrausch hinüber, der die Unterlagen auf ihren Platz stellte und zu ihr trat. Als wenige Sekunden später eine Frau mittleren Alters in Begleitung eines etwa gleichalten Mannes in den Eingangsbereich kam, standen sie bereits vor den Vitrinen und musterten die Öle, deren Farben von schwachem Hellgelb bis hin zu einem nussigen Braun reichten.
»Was kann ich für Sie tun?« Ihre Stimme war neutral mit ablehnendem Unterton, der befremdete, schließlich hätten sie interessierte Kundschaft sein können. Sophie zog ihren Dienstausweis hervor. »Erdmann. Kriminalpolizei Trier. Das ist mein Kollege Steinrausch. Frau Görgen?«
»Ähm, ja.« Ihre Verunsicherung war mit Händen zu greifen. »Ich verstehe nicht ganz. Sie haben doch mit meinem Mann schon ausgiebig gesprochen.« Sandra Görgen war im Vergleich zu Sophie klein und kräftig gebaut. Mit ihren kurzgeschnittenen dunklen Haaren, aufwendiger Kleidung und einem dezenten Make-up strahlte sie jedoch auf ihre Art eine gewisse Attraktivität aus.
»Ja, das ist richtig. Wir müssen aber noch ein paar Fragen mit Ihnen persönlich abklären.«
»Und dafür kommen Sie extra hier raus?«
»Hätten wir Sie ins Präsidium bestellen sollen?«
Sandra Görgen zog es vor zu schweigen.
»Zunächst müssten Sie uns das Alibi Ihres Mannes für den Zeitpunkt des Mordes an Ihrem Schwiegervater bestätigen.«
»Also«, ihre Augen suchten den Blick ihres Begleiters, der einige Schritte von ihr abgerückt war, und Sophie sah eine Intimität zwischen ihnen, die reinen Arbeitskollegen abging. Die beiden hatten etwas miteinander, darauf würde sie wetten. »Roland ist zu Hause gewesen. Wir haben mit den Kindern gegessen und anschließend ferngesehen. Seit wir den Melkroboter benutzen, ist er abends praktisch nie mehr auf dem Hof. Die paar Handgriffe und die Kontrolle konnte Horst spielend allein erledigen.«
»Und am Samstag?«
»Wieso?« Dann
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