Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
war.
»Im vergangenen Jahr haben Sie siebzigtausend Euro an der Mühle verdient. Wirft das Unternehmen so viel ab?«
»Roland macht die Bücher. Wir haben einen Umsatz von grob geschätzt achthunderttausend Euro gefahren.«
»Also entspricht das, was Sie und Frau Kaiser herausziehen, etwa neun Prozent?«
»Ja, so in etwa.«
»Danke für die Auskünfte.«
Sandra Görgen nickte nur, als sie das Büro verließen. Darin war es heiß gewesen, in der Halle fröstelten sie nun.
Achim Stocke hatte gewartet und kam geradewegs auf sie zu. »Kommen Sie mit, da drüben stehen die Pressen, da ist es wärmer.«
Sie folgten ihm in einen hallenartigen Raum, in dem große Plastiktanks standen und auf einer Empore die Pressen arbeiteten. Es roch nicht unangenehm nach Öl, doch war der Boden glitschig, wie mit Schmierseife überzogen. Er begann ungefragt zu erklären. »Das kommt vom Auspressen und lässt sich kaum vermeiden. Der Raps wird in zwei Schritten verarbeitet. Zuerst wird mit viel Druck das Öl ganz langsam kalt herausgepresst, wodurch weniger Phosphor ins Öl kommt, was gut für die Motoren ist.«
»Also Öl für das Tanken«, warf Sophie ein.
»Genau. Dann geht es unten weiter.« Er zeigte auf eine zweite Presse, in deren Rinne Öl floss. »Der Druck und die Temperatur sind höher. Dieses Öl ist für Motoren ungeeignet und wird als Futteröl vermarktet.« Er öffnete eine Klappe und deutete auf die trockenen Reste, die sich in einem Behälter sammelten. »Der sogenannte Presskuchen landet in der Futterindustrie oder direkt bei den Bauern zum Verfüttern. Im Nachbarraum ist unsere kleinere Anlage. Hier ziehen wir das Speiseöl heraus.«
»Voll öko?«
Er lächelte sie an. »Klar, wir haben ein Zertifikat, wodurch der Kuchen und das Öl auch auf Biohöfen verbraucht werden können. Alles im Vierundzwanzigstundenbetrieb.«
»Was wird von der Öcocertifica geprüft?«
»Na, jeder Produktionsschritt. Die Probenentnahmen kommen ins Labor.«
»Vor einiger Zeit hat es diese Panne gegeben.«
»Dummheit. Einen alten Silo muss man eben grundlegend reinigen. Das wäre mir nicht passiert. Weil die jedoch so im Hauruckverfahren eingestiegen sind, hat es Probleme gegeben. Ich denke, durch Kaiser ist das alles ziemlich unbürokratisch verlaufen.« Er schaute sich um. »Von mir haben Sie das aber nicht.«
Sophie lächelte »Passt schon. Was ist denn vorher hier dringewesen?«
»Ein Hersteller von Futtermitteln, doch der ist vor ewigen Jahren pleitegegangen. Das lohnt sich nur noch für die ganz Großen.«
»Woher könnte das Dioxin stammen?«
»Keine Ahnung, das Zeug entsteht bei fast allen Verbrennungsvorgängen.« Er strich sich über das dünner werdende Haar.
»Wie lange läuft Ihr Verhältnis mit Sandra Görgen schon?«
Sein Gesicht verlor die Farbe. »Ich ...«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich sammle Fakten. Ob diese einmal relevant werden, ist noch nicht abzusehen.«
»Ich habe kein ...«
Wieder unterbrach Sophie: »Zwingen Sie mich nicht, es herauszufinden.« Stocke schaute geschlagen weg. »Es bleibt unter uns, nur weiß ich jetzt, dass Sie nicht neutral sind.«
»Seit drei Monaten.« Sein Flüstern war in der Geräuschkulisse der Pressen fast nicht zu hören. »Es hat sich einfach ergeben. Man kommt sich näher, wenn man dauernd zusammenarbeitet.«
»Wie viele Angestellte gibt es überhaupt?«
»Sandra und ihr Mann machen den kaufmännischen Teil. Eine Azubi hilft dabei, die ist aber heute in der Schule. Mir gehen zwei Aushilfen zur Hand. Darüber hinaus füllen zwei Frauen das Speiseöl ab, etikettieren und verpacken.«
*
Jan Brünjes rannte so schnell wie seit dem Tag nicht mehr, an dem er im Studium mit ein paar Joints vor dem Bundesgrenzschutz bei Aachen über die Felder getürmt war und sich in einem Pfarrgarten versteckt gehalten hatte, bis die Aufregung verflogen war. Sein Entsetzen war heute ungleich größer, und er hatte panische Angst. Angst, sie könnten ihn erwischen und herausfinden, was er entdeckt hatte und in seinem Rucksack sicher verwahrt glaubte. Sie waren bereits hinter ihm her. Schuhe scharrten auf dem Asphalt und Rufe hallten ganz nahe, er meinte schon den Atem im Nacken zu spüren, und wagte es nicht einmal, einen Blick über die Schulter zu werfen. Mindestens zehn Arbeiter klebten an seinen Fersen, angetrieben von einem Chef, dessen pure Anwesenheit ihm das Blut stocken ließ – die menschgewordene Erbarmungslosigkeit.
Zunächst war alles gut gelaufen. Die Tür
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