Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
exquisite Ambiente des Anwesens.
Das Haus selbst war aus zwei Baukörpern konstruiert worden. Der linke Teil hatte Würfelform. Zur Straße hin wurde die Front auf beiden Etagen fast vollständig von großen Glasflächen eingenommen. Parterre war eine Terrasse, die von einem schrägen Steinbeet begrenzt wurde. Es ging in ein Wasserband über, das über die Hausbreite verlief. Im ersten Stock, unter dem überstehenden Flachdach befand sich ein durchgehender Balkon, auf dem zwei Deckchairs und ein kleiner Tisch standen. Lichthaus vermutete dort oben die Schlafzimmer. Der Wohnbereich schien im Erdgeschoss zu sein. Durch die grauen, deckenhohen Fensterrahmen konnte er gerade noch den Kaminofen und eine ausladende Couchlandschaft sehen. Der zweite Teil des Hauses war schmaler als der andere. Unten lag die Doppelgarage mit Sektionaltor. Was immer sich hinter den an Schießscharten erinnernden Fenstern darüber verbergen mochte, es entzog sich seinen Blicken. Die im Übergangsbereich zwischen den beiden Baukörpern liegende Haustür wurde von großen Edelstahlblumenkübeln flankiert.
Er drückte nochmals auf die Klingel, was nach wie vor ohne Ergebnis blieb.
»Die sind nicht da.«
Er fuhr zusammen und wirbelte herum, konnte jedoch niemanden entdecken. Die übrigen Grundstücke und die Straße lagen wie leergefegt vor ihm.
Wieder wurde gesprochen: »Sie ist gerade eben mit den Kindern losgefahren. Ich bin hier drüben im angrenzenden Garten.« Jetzt entdeckte Lichthaus den Mann, der zu der Stimme gehörte. Es war Roland Görgens direkter Nachbar. »Bläske. Ich heiße Ernst Bläske. Nicht dass Sie meinen, ich läge unentwegt auf der Lauer, doch wenn das Tor aufgeht und ein Auto herausfährt, bekommt man das immer mit.« Er hatte sich mittlerweile zwischen Hecke und Zaun vorgearbeitet und stand nun unmittelbar vor Lichthaus. Die Gestalt war unscheinbar. Mittelgroß, mittelbraune Haare und dem Haus zufolge mittlere Einkommensklasse. Er trug Gummistiefel und einen uralten Mantel. Die Gartenhandschuhe schimmerten dunkel von feuchter Erde. Der Mann registrierte seinen Blick.
»Ich war bei der Gartenarbeit«, seine blauen Augen blickten ausdruckslos auf das Nachbarhaus. »Ihre Kollegen waren eben hier, doch da war sie auch schon fort. Sie sind von der Polizei, oder?«
Lichthaus lächelte. »Sieht man das?«
»Nein.« Sein Lächeln blieb unerwidert. »Ein Nummernschild RPL – 4 steht für die Polizei.«
»Sie sind gut informiert.«
»Internet macht’s möglich. Ich bin viel zu Hause. Man hat mich zum Frührentner gemacht, weil die Firma den Bach runtergegangen ist.« Lichthaus verdrehte innerlich die Augen. Was jetzt kommen würde, war eine Litanei zur Ungerechtigkeit der Welt oder sonst etwas, und er musste zuhören, bevor er seine Fragen loswurde. »Mittlerweile bin ich froh drum, bei all der Arbeit.« Er sinnierte seinen Gedanken hinterher. »Er hatte übrigens eine Freundin.«
Lichthaus war von dem Gedankensprung des Mannes überrascht. »Wer?«
Bläske lehnte sich an den Zaun, von dem die Farbe abblätterte, und musterte ihn undurchdringlich. »Na, Horst Görgen. Wegen dem sind Sie doch hier.«
»Äh ... ja.«
»Nun, der war mit einer anderen Frau zusammen. Ich habe die gesehen, als sie an der Salm bei Himmerod spazieren gegangen sind. Die waren eindeutig ein Paar. Sie haben geschnurrt wie zwei rollige Katzen.«
»Kennen Sie die Freundin?«
»Ja. Sie hat oben in Wittlich ein Café. Ich war mal dort. Am alten Marktplatz. Silkes Bistro oder so ein Standardname. Muss viel jünger sein als er. Vielleicht Mitte vierzig.«
»Danke für die Info, dem gehen wir nach. Was ist mit dem Sohn und seiner Familie, Sie leben ja unmittelbar daneben?«
Das Interesse im Gesicht des anderen erlosch, und er sah Lichthaus wieder so ausdruckslos an, wie er es bereits zu Beginn des Gesprächs getan hatte.
»Wie meinen Sie das?«
»Ach, kommen Sie. Wenn es etwas zu wissen gibt, können es einem die Nachbarn meistens sagen. Das Haus hier zeigt ja schon, dass sie sich vom Rest der Leute abheben wollen.«
Bläske schaute hinter den Zaun und trat auf irgendetwas herum. »Die junge Frau könnten Sie mir schenken. Hübsch ohne Frage, aber ständig am Nörgeln. Mit ihm und den Kindern. Ab und zu kracht es da ganz ordentlich. Im Sommer stehen halt die Fenster auf, und da kriegt man ja was mit, ob man will oder nicht. Anfangs ist es eigentlich nur ums Geld gegangen. Sie lebt gerne auf großem Fuß, und er versucht zu bremsen, gibt jedoch
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