Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Volksfreund fuhr auf den Hof, und Lichthaus beeilte sich, ins Auto zu kommen und es dem Staatsanwalt zu überlassen, die Informationen weiterzugeben und die Meute vom Hof zu verdrängen.
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Kurz darauf parkte er auf einer Anhöhe und stieg aus. Die Sonne gewann an Kraft und wärmte ihn soweit, dass er auf den Parka verzichtete. Vor ihm in der Senke lag der Alleenhof. Er konnte die Techniker in ihren Anzügen umhergehen sehen. Zu seiner Rechten befand sich ein langgezogenes Gebäude, das wahrscheinlich der Schweinestall war. Er schätzte den Abstand grob auf dreihundert Meter. Dazwischen lagen Weiden und Felder, auf denen sich das erste Grün zeigte, aber noch viel Wasser vom Regen der letzten Tage stand. Auch der Boden unter seinen Füßen war nun aufgetaut und fühlte sich schwammig an. Etwa zwei Kilometer entfernt sah er die Häuser von Dreis, davor die kleine Siedlung, die sie morgens passiert hatten, und links, von seinem Standpunkt aus kaum hörbar, rauschte die Autobahn. Der Weg hierher führte weiter durch ein Waldstück hinauf nach Bergweiler. Für den Täter war es ein Leichtes gewesen, ungesehen auf den Hof zu gelangen. Ein Netz aus geteerten Feldwegen überspannte die gesamte Flur. Er brauchte nur von der L 43 in die Felder abzubiegen und außerhalb von Hör- und Sichtweite zu parken. Fünf Minuten später könnte er schon vor Ort sein. Lichthaus studierte das Gelände zu seinen Füßen und versuchte, einen wahrscheinlichen Anfahrtsweg auszumachen, doch es gab schlichtweg zu viele Alternativen.
Eine kalte Windböe fegte über ihn hinweg und nahm ihm die Illusion des Frühjahrs. Er floh in die Wärme des Wagens, fuhr jedoch nicht sofort los, sondern schenkte sich einen Darjeeling aus. Hierbei musste er lächeln. Seit Siran bei ihnen war, diskutierten die beiden häufig, ob nun der Darjeeling Second Flush oder Sirans Çay der bessere Tee sei. Mittlerweile kam Lichthaus ins Schwanken, denn der süße Tee aus den kleinen Gläsern, die der Kollege dem Kommissariat gespendet hatte, schmeckte wundervoll.
Er lehnte sich zurück und blinzelte wieder in die Sonne. Sofort kehrten seine Gedanken zu dem Mord an Horst Görgen zurück. Sie hatten es, da war er sich sicher, mit einer Beziehungstat zu tun, was nicht ungewöhnlich war, da fast alle Morde im persönlichen Umfeld geschahen. Meistens sogar in der Familie. Was ihn irritierte, war die Brutalität der Tat. Außerdem nährte das Klebeband seine Zweifel. Der lateinische Satz konnte auf andere Motive verweisen. Ein religiöser Hintergrund schien möglich. Sie würden hier ansetzen und religiös-militante Spinner ausfindig machen müssen. Aber auch durchgeknallte Killerspieler, zu denen die plakative Ausführung der Tat passte, waren nicht auszuschließen. Eigentlich glaubte er nicht daran, doch es blieb eine Option. Sie mussten abwarten, was die Kriminaltechniker noch herausfinden würden. Neugierig zog er seinen Tablet-PC hervor, den er neuerdings für Notizen, Fotos und Kurzrecherchen im Internet nutzte und suchte nach Ego-Shootern, aber das Ergebnis war ernüchternd: Mehr als einhunderttausend Einträge entsprachen seiner Anfrage. Er schaltete ab und lehnte sich zurück. Das war etwas für die Techniker.
Der Tee war heiß und wärmte, machte ihn aber auch schläfrig.
In der Familie jedenfalls stank es ganz gewaltig. Das Zerwürfnis zwischen dem Vater und seinem Sohn Alexander, die Konflikte zwischen den Söhnen, eine Ehekrise bei den Alten und mitten in dem Tohuwabohu die polnische Haushälterin. Wenn sie in der Familie nicht fündig würden, musste das Opfer den Zorn anderer erregt haben. Doch die Frage war, wie ein Ökobauer das hinbekam. Er hoffte, dass Steinrausch bereits erste Anhaltspunkte würde liefern können.
Geräuschvoll schlürfte er die letzten Tropfen aus dem Becher und schraubte ihn wieder auf die Thermoskanne.
Als er wenig später an Roland Görgens Haus vorbeikam, hielt er und klingelte am Tor, aber niemand rührte sich hinter dem modernen Ziergitterzaun. Ein Fußball lag verwaist auf der Wiese und wirkte wie ein Fremdkörper in dem ansonsten perfekten Arrangement. Das Grundstück war riesig, maß wohl zweitausend Quadratmeter und bot dem darauf stehenden Gebäude den richtigen Rahmen. Die weitläufigen Rasenflächen wurden nur hier und da von vereinzelten Beeten mit gestylten Büschen und Sträuchern unterbrochen und sahen dermaßen gleichmäßig aus, dass Lichthaus von Rollrasen ausging. Ganz billig war das nicht, passte jedoch in das
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