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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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sobald er endlich kam, und nahm ihn sofort in Beschlag. Er kitzelte ihren Bauch, woraufhin sie quiekend davonrannte. Normalerweise dürfte er Claudia nichts von den Fakten erzählen, doch das war ihm seit jeher egal. Die Interna waren bei ihr sicher, und er fand in ihren Diskussionen oftmals neue Ansätze. Außerdem wollte er sie teilhaben lassen, hoffte so auf Verständnis für seine Anspannung, wenn die Fälle ihn massiv forderten.
    Schließlich saßen sie zusammen. Seine Tochter thronte im Kinderstuhl und aß genussvoll ein Marmeladenbrot, während sie mit ihrer freien Hand alles zu erreichen suchte, was sonst noch auf dem Tisch stand.
    »Du kennst doch Anne Görgen von früher. Wie war sie?«
    »Wie gesagt, komisch.« Claudia überlegte und rieb sich getrockneten Ton vom Daumen. Sie hatte im Atelier an der Vorlage für eine Skulptur gearbeitet. Ein Teil des ohnehin schon kleinen Gartens war geopfert worden, um eine Bildhauerwerkstatt einzurichten. Sie hatte einige Jahre ausschließlich gemalt und war hierbei auch finanziell sehr erfolgreich gewesen. In letzter Zeit hatte sie sich aber der Bildhauerei zugewandt, die sie in ihrem Kunststudium erlernt hatte. Ihr Gefühl für Proportionen und die Ausdrucksstärke ihrer Figuren verblüfften Lichthaus immer wieder, und er freute sich auf die fertigen Arbeiten, obwohl er anfangs nicht verstanden hatte, wieso sie nun Plastiken erstellte, wo der Verkauf ihrer Bilder doch so gut lief.
    »Zu Beginn war sie völlig normal, doch in der Mittelstufe ist sie regelrecht ausgetickt. Hat sich aufgetakelt, als ginge sie zu einer Party und nicht zur Schule. Trat in die Jugendorganisation einer konservativen Partei ein und pöbelte mit den Grünen. Sie sah gut aus. Groß und schlank, hatte allerdings einen hässlichen Zug um den Mund. Fand ich jedenfalls. Ich glaube, sie wollte sich nur gegen diesen ganzen Ökokram auflehnen. Später hatte sie ein Verhältnis mit einem Lehrer, der daraufhin versetzt wurde und dessen Ehe in die Brüche ging. Anne hat sich sogar noch darüber lustig gemacht. Für die Oberstufe wurde sie in ein Internat abgeschoben und ist mir dann nie wieder über den Weg gelaufen. Auf dem letzten Klassentreffen habe ich gehört, dass sie in den USA gelandet sein soll. Was sie genau macht, weiß ich nicht.«
    »Kennst du auch andere Familienmitglieder?«
    »Alexander war ein Jahr unter mir am Cusanus-Gymnasium. Roland war älter und nicht bei uns auf der Schule. Alex war ein schüchterner Kerl, ich glaube, er hatte das Gefühl, im Schatten des großen Bruders zu leben. Er war auch kleiner als dieser und sein Vater, vermutlich kam er nach der Mutter. Ich mochte ihn. Wir hatten zusammen eine Kunst-AG und mussten gemeinsam einen Adler aus Draht biegen und mit Kunstharz beschmieren. Elende Sauerei. Zu Anfang war er total still. Hat kaum ein Wort gesprochen.«
    »Du hast ihm keine Chance gelassen«, witzelte Lichthaus.
    »Hahaha«, sie verdrehte die Augen. »Irgendwann ist er aber doch aufgetaut und hat viel erzählt. Er hat Narziss und Goldmund von Hermann Hesse gelesen. Daran kann ich mich noch erinnern. Wie er sich an der Gegensätzlichkeit von Narziss, dem frommen Abt, und Goldmund, dem gottlosen Lebemenschen, der die christliche Askese des Narziss kritisiert, aufgerieben hat, war schon ziemlich krass.«
    »Wow. War er religiös?«
    »Weiß ich nicht. Ich habe das nie vergessen, so intensiv hat er mir davon erzählt. Es hat Spaß gemacht mit ihm zu diskutieren. Er hatte einen scharfen Verstand, außerdem ist er auf deine Argumente eingegangen. Nun, wenige Monate später hatte ich dann aber meinen ersten Freund, und Alexander ist aus meinem Bilderrahmen gefallen. Ich erinnere mich noch, dass er das Abi ein Jahr verspätet gemacht hat.«
    »Ich werde ihn ohnehin befragen, da kann ich das ja klären.«
    Henriette hatte mittlerweile mit den Resten ihres Essens den Tisch gleichmäßig eingeschmiert und quengelte vor sich hin, während sie sich die Augen rieb. Nur mit Mühe und einem Waschlappen gelang es Lichthaus, die Spuren ihres Kampfes mit Brot und Marmelade aus ihrem Gesicht zu wischen. Dann nahm er sie auf den Arm, woraufhin sie ihren Kopf auf seine Schulter legte und sich an ihn drückte.
    »Bist du müde, mein Engelchen?«, flüsterte er ihr leise ins Ohr und ging, Claudia zuzwinkernd, mit der Kleinen nach oben. Er genoss es in vollen Zügen, ausnahmsweise einmal mittags hier zu sein, und stahl sich noch die Viertelstunde, um Henriette zum Mittagsschlaf

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