Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Konflikte in Ihrer Familie.«
»Kann sein, ist mir mittlerweile aber egal. Ich bin glücklicherweise weit weg. Ich muss los, haben Sie noch ein Anliegen?«
Lichthaus wunderte sich, wie emotionslos und neutral Anne Underwood die grauenhaften Geschehnisse an sich vorbeilaufen ließ, erkannte aber auch den Schutzschirm dahinter. Sie wollte nicht zerbrechen wie ihr Bruder und wählte anstelle seines Engagements die Ignoranz.
»Nein.«
»Wann geben Sie die Leiche frei? Ich will den Flug buchen.«
»Die Staatsanwaltschaft hat hierüber noch nicht entschieden.«
Ein Okay und die Leitung war tot.
Kaum hatte er aufgelegt, da kam Steinrausch eilig herein. »Die Kowalski wurde von den Kollegen in Frankfurt aus dem Zug geholt. Sie bringen sie hierher. Doktor Kaiser ist bei Müller. Du möchtest bitte hinkommen.«
Unwillig stand Lichthaus so abrupt auf, dass der Stuhl gegen die Wand knallte. »Diese verdammten Politiker. Was glaubt der denn, was ich sagen werde?«
Steinrausch lächelte entwaffnend. »Viele Worte und wenig Inhalt.«
»Wann wird die Kowalski hier sein?«
»Ich denke nicht vor zehn.«
»Dann verhören wir sie morgen. Geh zu Brauckmann, der soll einen Haftbefehl erwirken. Wir logieren sie für die Nacht im Knast ein.«
*
Müller musterte ihn wie immer, ohne sich die Mühe zu machen, seine Abneigung zu verbergen. Lichthaus tat es ihm gleich und nickte nur kurz, wobei er schon die dritte Person im Raum begutachtete. Kaiser mochte vielleicht Mitte fünfzig sein, doch das glatte Gesicht war noch scharf geschnitten und attraktiv. Der Mann war – Lichthaus’ Großmutter hätte es so gesagt – wie aus dem Ei gepellt. Das grau melierte Haar war perfekt frisiert und bei aller Aversion musste Lichthaus zugeben, dass der Anzug toll war. Hochwertiges Tuch, maßgeschneidert, dazu ein weißes Hemd mit passender Krawatte. An der Hand lediglich ein Ehering und eine schlichte Uhr. Goldene Manschettenknöpfe lugten unter den Ärmeln hervor. Die Wählerinnen lagen ihm zu Füßen, da war sich Lichthaus sicher.
Ein fester Händedruck und Blick, dann legte der Politiker sogleich los: »Herr Kommissar, es freut mich, Sie auch einmal persönlich kennenzulernen, und ich möchte mich an dieser Stelle für unser Telefonat entschuldigen. Es liegt mir natürlich fern, Informationen zu verlangen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.«
Und was willst du jetzt hier, ging es Lichthaus durch den Kopf, aber er machte eine neutrale Miene, während Kaisers sonore Stimme in politprofessioneller Weise weiter den Raum füllte: »Verstehen Sie mich nicht falsch, doch wie Sie wissen, steht ein Besuch des Ministerpräsidenten und des Bundeslandwirtschaftsministers auf dem Alleenhof an. Eine solche Gelegenheit ergibt sich nicht alle Tage, und bevor ich das Event absage, muss ich mir gewiss sein, den richtigen Schritt zu tun.«
»Der da wäre?«
»Nun, wenn der Täter nicht aus der Familie Görgen stammt, würde der Termin gut ankommen: Auszeichnung und Beileid. Herr Müller hat eben anklingen lassen, Sie seien bereits sicher ...«
»Ich weiß nicht, was er erzählt hat«, wütend funkelte Lichthaus seinen Chef an, der nur stur an ihm vorbeisah und dabei eine Neutralität an den Tag legte, die einer Schaufensterpuppe zur Ehre gereicht hätte. »Ich für mein Teil bin mir noch über nichts im Klaren. Wir haben nicht einmal ein Verdachtsmoment, das über ein dürres Anfangsstadium hinwegreicht.«
Kaiser blinzelte irritiert und spülte seinen Ärger mit einem Schluck Kaffee hinunter. »Ääh ..., da muss ich wohl etwas falsch verstanden haben. Wie dem auch sei, inwieweit sehen Sie eine Chance, kurzfristig Klarheit in die Angelegenheit zu bringen? Ich möchte nicht mit den Herren zusammen eine Urkunde überreichen, während Sie auftauchen und ein Familienmitglied festnehmen.«
»Wie lange es dauern wird, den Täter zu fassen, ist beim besten Willen nicht vorherzusehen, und ob wir ein Mitglied der Familie verdächtigen, werde ich gegenüber Externen nicht kommentieren.« Er grinste. »Solange der Ministerpräsident da ist, halten wir uns zurück und nehmen natürlich keine Verhaftung vor. Diese Zusage gebe ich Ihnen.«
»Beruhigend. Und am nächsten Tag sieht man in den Boulevardblättern die beiden Politiker lächelnd neben einer des Mordes verdächtigen Person. Tolle PR.«
»Das ist durchaus möglich. Nochmals, wir stehen am Anfang. Selbst wenn ich, wie so mancher hier, es bei Bedarf mit den Vorschriften nicht so genau
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