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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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hervortraten, und wurde dennoch überrascht. Die Winde lief an und wickelte ein Stahlseil auf, das auf dem Boden ein Nest bildete. Es dauerte einige Sekunden, bis er erkannte, was gerade passierte. Das Seil war um Kaisers Füße geschlungen, und ehe Lichthaus die Chance hatte zu reagieren, bewegte sich die stählerne Kobra rasend auf sie zu und begann den schweren Mann in die Höhe zu ziehen. Lichthaus verstärkte noch den Griff, doch konnte er nicht gegen den Motor ankämpfen, der emotionslos weiterlief. Ihre Blicke trafen sich in dem Moment, als Kaiser an ihm vorbei nach oben glitt. Der Ausdruck seiner braunen Augen brannte sich in sein Gehirn, er würde ihn nie vergessen können. Resignation und erlöschende Hoffnung lag darin wie ein tiefer Schatten, dazu Schmerz und Verzweiflung. Eine offene Seele. Lichthaus klammerte sich heftig an Kaisers Arme und wurde mit hochgezogen. »Nein, nein!« Aber sein Brüllen verhallte wirkungslos.
    Er verlor die Bodenhaftung, rutschte an den glitschigen Handgelenken ab und stürzte zu Boden, während Kaiser pendelnd weiter gen Himmel fuhr und das Blut aus den nun wieder ungeschützten Wunden spritzte, warm und sanft in Lichthaus’ nach oben starrendes Gesicht regnete. Er wischte sich instinktiv über die Augen und sah die rote Schmiere in seinen Händen. Panik überfiel ihn, doch er drängte sie weg. »Findet ihn, er muss da sein und eine Fernbedienung haben. Schnell!«
    Die Uniformierten rannten los, und auch er stürmte mit verzerrter, blutnasser Miene und klebrigen Fingern zum Kran. Der Schaltkasten war auf Augenhöhe befestigt, und er zerrte hektisch am Griff, doch das Ding war abgeschlossen. Fieberhaft suchte er nach einem Werkzeug und wurde nach wenigen Schritten fündig. Eine Eisenstange glänzte feucht im Licht der Taschenlampe. Er hetzte zurück. Ein kurzer Blick über die Schulter. Kaisers Körper hing viele Meter hoch am Ende des Auslegers. Unablässig rann Blut zu Boden, die Bewegungen jedoch waren erstorben.
    Mit aller Gewalt rammte er das Eisen zwischen Tür und Kasten und hebelte dagegen. Nichts geschah. Noch einmal stemmte er drauflos, setzte sein ganzes Gewicht ein, ohne Erfolg. Verzweifelt brüllte er die Anstrengung hinaus, und als er davon überzeugt war, dass auch dieser Versuch scheitern würde, bewegte sich die Stange ein wenig, um schließlich begleitet von einem lauten metallischen Kreischen aus seinen Händen zu fliegen. Die Schaltung hinter der verbogenen Tür war denkbar einfach. Banale Symbole zeigten Auf und Ab sowie unterschiedliche Drehungen. Er hämmerte auf den nach unten zeigenden Pfeil, und das Stahlseil wickelte sich wieder ab. Triumphierend schrie er auf, als ein Rufen das Brummen des Motors übertönte.
    »Da ist er, dort drüben.«
    Der Ruf kam von links, und noch während Lichthaus Kaiser herunterließ, sah er eine dunkel gekleidete Gestalt geduckt hinter der antiken Balustrade zur Arena sprinten und in einem der Gänge verschwinden.
    »Lauft auf der anderen Seite herunter. Schnell, er kommt durch den Tunnel. Los hinterher, alle beide.«
    Ein Durchgang führte aus dem Amphitheater hinaus. Völlig irrational erinnerte er sich ausgerechnet jetzt an den Namen – Vomitorium, was Ausspeien bedeutete und sinnbildlich für die Besuchermassen stand, die regelrecht in die Arena gespuckt wurden, wenn die Spiele begannen. Der ehemalige Westausgang. Einer der Uniformierten machte auf dem Absatz kehrt und verließ Lichthaus’ Sichtfeld, während sein Kollege schon quer über den Platz schoss, um in einer Tür zu verschwinden.
    Kaiser war mittlerweile auf dem feuchten Sand angelangt, und Lichthaus beeilte sich, zu ihm zu kommen. Der Körper lag fast flach auf dem Boden, wobei Brustkorb und Kopf zur Seite gedreht waren. Er kniete nieder, packte sanft die Schultern, legte den Verletzten vorsichtig auf den Rücken und suchte an der Halsschlagader nach dem Puls. Nichts. Zu spät, alles war zu spät. Die Augen blickten ziellos unter halb geöffneten Lidern in den Himmel, die Wangen waren vom Blutverlust wachsbleich. Der Mann, das hohe Tier aus Mainz, war dort oben gestorben. Ausgeblutet wie die Rinder auf Görgens Hof. Eine Katastrophe.
    Lichthaus trat einige Schritte zurück. Er atmete tief durch und starrte hilflos nach oben. Es fiel ihm schwer zu realisieren, was soeben geschehen war, er war wie betäubt. Wenige Sekunden nur, dann gab er sich einen Ruck und organisierte die Fahndung nach der dunklen Gestalt. Routine tat manchmal so gut.
    Das Vomitorium

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