Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
den Müll wandern. Ein Uhr war schon lange durch, und die Müdigkeit nagte an ihm, was seine Sehnsucht nach Claudia und ihrem Bett unaufhörlich verstärkte. Er hatte sie kurz informiert und geschockt zurückgelassen in ihrer Welt der Kunst und des Schöngeistes, wo Mord und Todschlag so deplatziert wirkten. Merkwürdigerweise zeigte seine Psyche keine Risse, so wie nur zwei Tage zuvor. »Krieg ist Abstumpfung«, hatte er kürzlich in einem Kommentar zum Ersten Weltkrieg im Radio gehört, und das schien nun auch bei ihm zu greifen. Der dritte Tote innerhalb einer Woche zerrte zwar an seinen Nerven, zumal er dessen Sterben erlebt hatte, doch warf es ihn nicht um.
»Was für eine riesengroße Scheiße!« Pieper war noch ein Stück weit von diesem Zustand entfernt. Der Präsident vergaß die Etikette. »Erst Görgen, dann eine erschossene Kollegin und der Verletzte bei Ihrem Einsatz. Schließlich begeben wir uns vor die Presseidioten, um offensichtlich den falschen Täter zu präsentieren, und jetzt schlachtet der Richtige einen stellvertretenden Staatssekretär ab wie eine Sau beim Metzger. Was für eine riesengroße Scheiße!«, wiederholte er sich. »Morgen kommen die Reporter wie Schmeißfliegen angeschwirrt und machen uns fertig.«
Die anderen schwiegen und hefteten erwartungsvoll ihre Augen auf Lichthaus, der mit den Schultern zuckte. »Alles wieder fast auf null. Unser Ermittlungsansatz war stark auf die Familie ausgerichtet. Wir untersuchen zwar das sonstige Umfeld, aber das dauert. Außerdem müssen wir nun auch noch Kaiser und seine Strippen zu Görgen checken. Im Augenblick gibt es keine neuen Ergebnisse. Spleeth und sein Team sind bei der Arbeit, doch der Regen ist natürlich nicht gerade dienlich für genaue Untersuchungen. Die Fotos, die Frau Bergner vom Täter gemacht hat, wurden gesichert. Ich konnte eben einen Blick darauf werfen, verspreche mir aber nicht allzu viel davon, da das Bild körnig und verwackelt ist. Eventuell kann die Technik Wunder bewirken.«
Pieper fiel ihm ins Wort: »Was hatte eigentlich diese zugegebenermaßen knackige Bergner hier zu suchen?«
Lichthaus sah ihn überrascht an und erkannte, was los war. Pieper kam seinem feinen Anzug zufolge sicherlich von einer Feier und hatte anscheinend schon ein Glas zu viel, als ihn der Anruf von Kaisers Ermordung erreicht hatte. Auch Nederlof entging der Zustand des Präsidenten nicht. Er schmunzelte leicht.
»Sie ist genauso wie ich vom Täter telefonisch hierher beordert worden. Der ist übrigens über das Gelände der Grundschule gleich nebenan geflohen, er hatte das bereits vorbereitet. Leider haben die Kollegen ihn verloren. Auf seiner Flucht hat er einen Passanten zusammengeschlagen, wohl in einer Überreaktion, wurde aber von dessen Hund heftig gebissen. Hier sehe ich einen Ansatz, sofern er in ärztliche Behandlung muss. Die Krankenhäuser sind informiert. Hoffentlich bekommt er eine Blutvergiftung.« Alle grinsten. »Die Tat war sehr genau geplant und als große Show inszeniert. Er will der Welt eine Message zukommen lassen, die mit den Ermordeten zu tun hat.«
»Wieso bei beiden Morden?« Nederlof war nicht im Bild.
»Frau Bergner sagt aus, heute Abend habe derselbe Mann angerufen, der sie bereits gestern kontaktiert und behauptet hatte, Alexander Görgen sei nicht der Täter.«
Brauckmann meldete sich zu Wort: »Wo ist Kaiser hergekommen?«
»Wir wissen es noch nicht. Ich fahre gleich morgen früh zu seiner Frau nach Schweich, da erhalten wir eventuell mehr Informationen.«
»Ist sie bereits informiert?«
»Ja, wir haben eine Streife hingeschickt. Ich habe das für notwendig gehalten, nicht dass die Presse schneller ist. Außerdem wird ein Seelsorger über Nacht bleiben.«
Nederlof wandte sich an den Präsidenten: »Sehr gut. Weiß die Ahlers Bescheid? Wir müssen sofort eine Pressemitteilung rausjagen und die Regierung informieren, immerhin war Kaiser in Mainz eine mittelgroße Nummer.«
Pieper nickte. »Sie sitzt schon dran. Wie lange braucht die Technik noch?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, einige Stunden denke ich, da auch der Fluchtweg unter die Lupe genommen wird. Außerdem stellt sich die Frage, wie Kaiser hierhergekommen ist. Wir suchen aktuell nach seinem Fahrzeug. Ich hoffe, morgen früh sind wir weiter.«
Der Präsident schaute auf seine Uhr und rieb sich die Augen. Sein Gesicht zerknitterte langsam, die Wirkung des Alkohols schien nachzulassen. »Um elf Uhr möchte ich spätestens einen vorläufigen
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