Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
spie nun die Kollegen aus, die mit hängenden Schultern an die Balustrade traten. »Weg. Er ist wie vom Erdboden verschwunden. Muss über den Zaun sein.«
»Verdammt. Seht zu, dass ihr mit dem Wagen den benachbarten Stadtteil absucht. Ich habe schon Verstärkung geordert. Setzt euch mit den Teams in Verbindung.«
Die beiden trabten davon, und Lichthaus ließ sich auf eine der nassen Bänke fallen, um das Eintreffen der ganzen Maschinerie abzuwarten.
Julia Bergner hatte vom Eingang aus alles beobachtet und kam nun vorsichtig herbei, eine Kompaktkamera fest im Griff. »Ich konnte ihn fotografieren.«
»Was?«
»Mit dem Zoom, als er dort lang gelaufen ist, aber das Foto ist total mies.«
»Bitte. Wir benötigen schnellstens das Bild. Hängen Sie es einfach an eine Nachricht an und senden es auf mein Handy.«
Sie nickte, hörte jedoch kaum noch zu. Neugierig und zugleich voller Abscheu trat sie an Kaisers Leiche heran, um sich gleich darauf in den Graben zu übergeben. Mit bleichem Gesicht wankte sie dann zu ihm zurück, während sich Sirenen näherten. »Darüber werde ich nicht schreiben, das bringe ich nicht.«
Er schaute ihr kalt in die grünen Augen. »Doch, genau das werden Sie tun! Er will Publicity und soll sie auch haben. Vielleicht ist das ja alles, was er will, und er hört dann auf.«
»Oder macht weiter.« Ihr Blick haftete an dem Ermordeten.
»Einen Versuch ist es wert. Machen Sie noch ein paar Fotos, bevor der Tross hier aufgaloppiert. Ist vielleicht auch für Ihre Karriere nicht schlecht.«
Sie blies die Luft durch die Nase und deutete ein schmerzhaftes Auflachen an. »Auf die kann ich im Augenblick pfeifen, Sie Zyniker.«
»Was Sie veröffentlichen, legen Sie mir auf jeden Fall vor. Der Tote wird nicht aus der Nähe fotografiert, sonst komme ich in Teufels Küche.« Er stellte sich vor den Leichnam, während Julia Bergner einige Aufnahmen aus der Totalen schoss. Sie wirkte unmotiviert, geschockt, vermasselte sich dadurch eventuell die Chance ihres Lebens, doch das machte sie ihm erstmals sympathisch.
Während er so dastand, fing es an zu regnen, und leichter Graupel mischte sich unter die kalten Tropfen. Neben dem Treppenabgang hatte sich eine tiefe Pfütze gebildet, er bückte sich und wusch angewidert Kaisers Blut von seinen Händen. Das Wasser war eiskalt, aber er spürte es kaum.
*
Bernd Oberbillig hielt entspannt die Leine, während Jesco ins Gebüsch kackte. Abends wählte er oft die Strecke hier an der Hermesstraße entlang, da gleich neben der Grundschule ein ungepflegter Streifen mit Gras und Büschen lag, in dem sich der Hund mit Vorliebe erleichterte. Ihm war es recht, da er es sich so ersparen konnte, den lauwarmen Haufen mit einer Plastiktüte vom Pflaster zu kratzen und in irgendeiner Mülltonne zu entsorgen.
Jesco war ihr fünf Jahre alter Mischling, den er nie hatte haben wollen, aber nun umso mehr liebte. Tim hatte ihn ewig bearbeitet, bis er endlich nachgab und aus einem ungewollten Wurf einen Welpen herauskaufte. Labradormischling hieß es, die Mutter sei sehr zierlich, sodass die Tiere auch nicht allzu groß werden würden. Die laxe Auskunft ließ ihn zunächst zögern, vermutlich wussten die Eigentümer selbst nicht, wie der Vater genau aussah, doch Tim hatte sich in einen der Kleinen verliebt, und da er seinem Sohn kaum etwas abschlagen konnte, war der kleine Kerl schnell gekauft. Wie sich inzwischen herausgestellt hatte, war ein Dobermann am Drücker gewesen, und Jesco war zu einem stattlichen Rüden herangewachsen. Tims Interesse an seinem Haustier jedoch war zugunsten der ersten Freundin deutlich erlahmt, und so waren die täglichen Spaziergänge an ihm hängen geblieben. Nun, er genoss es. Nach einem Tag mit ignoranten und teilweise überforderten Schülern, er unterrichtete Mathematik an der berufsbildenden Schule für Wirtschaft unten am Irminenfreihof, entspannte ihn die allabendliche Bewegung ungemein.
Endlich war das Geschäft erledigt, und der Hund schnupperte noch ein wenig umher. Oberbillig zog an der Leine. »Komm, es fängt gleich wieder an zu regnen. Ich will heim.«
Mit einem Mal stand Jesco unbeweglich und lauschte in die Dunkelheit. Nach ein paar Augenblicken konnte auch Oberbillig die schnellen Schritte hören, doch noch ehe er richtig begriff, was passierte, sprang ein Mann aus dem Dickicht durch die Zweige und hetzte mit zwei kaum kontrollierten Sprüngen heran. Anscheinend hatte er ihn bisher übersehen, auf alle Fälle jedoch den Hund, da
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