Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Pistole im Anschlag.« Die beiden nickten und zogen die Waffen.
Er ging zu Julia Bergner und gab ihr das Handy zurück. »Ich habe keine Handhabe, Sie wegzuschicken. Sollte ich Sie aber da drin sehen, können Sie mit einer Anzeige wegen Behinderung der ...«, er brach ab. Scheinwerfer flammten hinter dem Eingangsbereich auf und tauchten die Anlage in gleißendes Licht. Sie duckten sich und gingen im Schutze der Mauer des Eingangsgebäudes in Deckung.
Lichthaus schaute hinüber und sondierte die Lage. Im Amphitheater fanden Bauarbeiten statt, und man hatte einen Kran mitten auf den Zugangsweg zur Arena gestellt. Offensichtlich wurde einer der antiken Eingangstürme saniert, und um auch nach Einbruch der Dunkelheit arbeiten zu können, waren starke Strahler installiert worden, die nun brannten.
Dann ein Schrei, animalisch und grausam, markerschütternd. Nie hätte er geglaubt, ein menschliches Wesen könne derartig schreien. Lichthaus richtete sich auf. »Verdammt, er foltert die Geisel. Wir müssen schleunigst da rein. Alles wie besprochen. Los!«
Vorsichtig durchschritten sie den Eingang und trennten sich. Julia Bergner ließen sie zurück. Sobald die ehrgeizige Reporterin allein wäre, würde sie mit einer leistungsstarken Kamera Fotos machen, daran zweifelte Lichthaus keinen Augenblick. Geduckt huschte er über den nass schmatzenden Boden auf den Kran zu, der ihm die Sicht auf den hell überstrahlten Innenbereich versperrte. Es war der einzige Teil der antiken Anlage, der noch völlig intakt war.
Lichthaus schlich zwischen den einstigen Eingangstürmen hindurch und versuchte, am Kran vorbei auf die ellipsenförmige, von hohen Schutzmauern umgebene Freifläche zu sehen, wo früher die Kämpfe stattgefunden haben mochten. Zuerst erkannte er zwei Treppenabgänge, die in den Keller führten, dann Türen ringsum in der Mauer, durch die man auf die Zuschauerränge gelangen konnte. Erst als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er die Gestalt mitten in der Arena auf dem Boden liegen. Kaiser schien zu leben, doch waren seine Bewegungen nur noch schwach, wirkten ziellos und apathisch. Blut tränkte das aufgerissene Hemd. Nervös trat Lichthaus neben die Betonplatten, die den Kran am Umkippen hinderten, und sondierte die Lage. Einer der Kollegen kniete am oberen Rand und tat es ihm gleich, der andere war nicht zu sehen. Er vermutete ihn jedoch oben auf dem Turm. Der Wind trug ein Wimmern zu ihm hinüber. Sie mussten etwas unternehmen, aber es war riskant, auf die freie Fläche hinauszutreten.
Er zögerte kurz, dann rief er so laut, dass es von den Wänden widerhallte: »Gebt mir Deckung.«
Impulsiv sprintete er los und erreichte nach nur wenigen Sekunden den Verletzten. Er erschrak. Von dem Mann, dessen gestyltes Outfit er tags zuvor noch bewundert hatte, war nur ein blutverklebtes Bündel übrig geblieben. Der nackte Oberkörper, der Kopf, die Arme, praktisch jeder sichtbare Hautbereich wies blutende Risse und Hämatome auf. Aus dem Augenwinkel sah er fehlende Fingernägel. Der verzerrte Mund zwängte wieder ein Wimmern heraus, die Augen waren aufgerissen, glasig vor Stress und Panik, rollten unablässig hin und her. Kaiser zuckte zurück als Lichthaus’ Schatten über ihn fiel, offensichtlich in der Angst, weitere Schmerzen erdulden zu müssen.
Dann der nächste Schock: An beiden Handgelenken waren tiefe Schnitte, aus denen dunkles Blut pulsierte. Ein Klebeband hielt die Hände so zusammen, dass Kaiser die Blutung nicht selbst abdrücken konnte, gesetzt den Fall, die verbliebenen Kräfte hätten hierzu überhaupt ausgereicht. Lichthaus ließ sich auf die Knie nieder und drückte mit den Daumen die Wunden ab, woraufhin der Blutstrom versiegte. Er atmete auf. Ihnen blieb eine Chance, Kaiser zu retten, von dem sie alles über den Täter erfahren könnten, doch es musste schnell gehen.
»Notarzt! Ruft einen Notarzt und Verstärkung. Beeilt euch.« Schweiß rann ihm trotz der Kälte in die Augen. Er fluchte und rieb sich das Gesicht am Ärmel seines Anoraks ab.
Sein Rufen hatte einen der Streifenbeamten in Bewegung gesetzt, der jetzt in sein Funkgerät schrie, und seine Hoffnung stieg, als unvermittelt der Elektromotor des Krans zum Leben erwachte. Leise zwar, aber in der Stille nicht zu überhören.
Er schrak auf und sah sich hektisch um, aber niemand war zu sehen. Lauernd wartete er auf das, was nun kommen würde, die Hände so fest auf Kaisers Handgelenke gedrückt, dass seine Knöchel weiß
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