Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Interesse daran, dass der Täter schnellstmöglich gefasst wird?«
Kuhn zögerte kurz. »Nun gut, ich denke, bis Donnerstag werden wir durch sein.«
Im Aufzug platzte Lichthaus der Kragen: »Die Daten können wir uns schenken. Das wird alles so sauber sein, als käme es frisch aus der Reinigung. Bloß keine Flecken auf ihr Scheißministerium.«
Siran zuckte die Schultern. »Womit hast du gerechnet?«
Lichthaus winkte ab. »Lass uns den Referenten ein bisschen in die Mangel nehmen, vielleicht kommen wir da weiter.«
Jens Molitor schien von Kuhn gut geimpft worden zu sein. Der dickliche Mittdreißiger lächelte sie aufgesetzt an, doch zeigten seine Augen höchste Aufmerksamkeit. Der graue Anzug mit weißem Hemd und gestreifter Krawatte war hier im Ministerium anscheinend so etwas wie die Uniform. Sein dünner werdendes Haar war in Form gegelt, sodass die fadenscheinigen Löckchen im Licht der Neonröhre glänzten. Als sie saßen, gab es sogar Kaffee, und Lichthaus fasste nach einem ersten Schluck kurz die Geschehnisse zusammen. Sein Gegenüber zuckte merklich mit den Lidern, als er die Brutalität der Tat andeutete.
»Wann ist Kaiser am vergangenen Freitag gegangen?«
»So wie immer schon um dreizehn Uhr, da er dem Wochenendverkehr nach Trier entgehen wollte.« Wieder dieses aufgesetzte Lächeln, hinter dem Molitor alle Emotionen zu verbergen suchte.
»Unseren Ergebnissen zufolge scheint er unter Druck gestanden zu haben. Konnten Sie in letzter Zeit an Ihrem Chef Veränderungen erkennen, war er verschlossener oder ängstlich?«
»Nein, aber wir hatten auch fast nur dienstlich miteinander zu tun.«
Lichthaus schaute auf. Sand im Getriebe. Abteilungsleiter und Referent waren sich nicht grün gewesen, doch noch blieb ein Rest Loyalität. »Erinnern Sie sich bitte ganz genau an die vergangenen Wochen. Gab es ungewöhnliche Situationen, die in Ihrem Gedächtnis hängengeblieben sind?«
»Natürlich. Der Tod von diesem Görgen.«
»Inwiefern?«
»Na ja, Doktor Kaiser war schockiert und hat gemeint, dass er den Ermordeten schon eine halbe Ewigkeit kenne und sie viele gemeinsame Aktionen durchgezogen hätten.«
»Durchgezogen?«
Molitor hob die Schultern. »Das waren seine Worte.«
»Wissen Sie, was er damit gemeint hat?«
»Nein. Kaiser«, er vergaß nun auch den akademischen Titel, »ist rund eineinhalb Jahren hier gewesen, und zuvor im Wirtschaftsministerium in gleicher Funktion. Ich betreue ihn erst seit wenigen Monaten. Wir haben uns noch nicht so gut gekannt.«
»Wer war Ihr Vorgänger?«
»Eine Kollegin, die jetzt im Mutterschutz ist. Einige munkeln, dass es zwischen den beiden ordentlich gekracht hat.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Es hat mich auch nicht wirklich interessiert.« Er machte dicht.
»Kennen Sie den Namen der Frau?«
»Fragen Sie unsere Sekretärin, die hat die Adresse wegen eventueller Rückfragen.«
»Nochmals zurück: Gibt es noch ein Ereignis, an das Sie sich erinnern?«
Molitor ließ den Ministerialbeamten raushängen: »Menschen in seiner Position haben laufend Diskussionen. Ich bekomme das ja täglich mit. Da geht es um Förderungen, Kompetenzdiskussionen zwischen uns und weiteren Ministerien, Besuche auf Höfen, Preise und so weiter. Alles wird hier abgeladen. Kaiser war sehr routiniert, hat wohl so ziemlich jeden im Land gekannt, der mit der Landwirtschaft verbandelt war.«
»Ich habe nach Ausnahmen gefragt.«
Die Augen wanderten zur Decke und blieben dort kurz oberhalb des Fensters hängen. »Nun, vor etwa fünf Wochen habe ich ihn einmal wütend erlebt. Er hat einen Anruf bekommen, während ich im Zimmer gewesen bin. Anfangs hat er offenbar nicht sofort erkannt, wer am anderen Ende gewesen ist, doch nach einigen Sekunden ist er unfreundlich, regelrecht aggressiv geworden und hat so etwas gerufen wie die alte Geschichte interessiere doch niemanden mehr und sei schon vor Jahren zu den Akten gelegt worden. Er hat es sich verbeten, persönlich belästigt zu werden, und so fort.«
»Hat er das Gespräch später kommentiert?«
»Er hat nur gemeint, da kämen Leute mit uralten völlig abstrusen Vorwürfen aus der Deckung.«
»Sonst nichts?«
»Nein. Kaiser ist nicht der große Geschichtenerzähler gewesen. Bei mir jedenfalls nicht.«
»Wo denn?«
»Versuchen Sie es am besten bei seiner ehemaligen Referentin.« Er bemühte sich amüsiert zu wirken, ohne hierbei wirklich erfolgreich zu sein. »Wissen Sie, er hat mich nicht so richtig gemocht. Bei ihr soll es etwas enger
Weitere Kostenlose Bücher