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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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Damit wäre die provisorische Observation ergebnislos beendet. Eine kleine alte Frau mit Trolli sah ihn mitleidig an, als er abgehetzt auf dem Bahnsteig stehen blieb und sich suchend umsah.
    »Is’ er weg? Kommt bestimmt bald der Nächste.«
    Auf keinem der sieben Gleise stand ein Zug zur Abfahrt bereit. Nur ein Intercity rauschte gerade durch. Unter den wenigen Personen, die sich zwischen den Gleisen aufhielten, konnte er Bichler nicht entdecken. Charly ging zum Ende des Bahnsteiges, dort wo Bichler um das Gebäude gelaufen war. Dabei passierte er die Bahnhofskneipe und dort, im Bierstüberl Gleis 1 , wurde Bichler hinter einem der großen Fenster gerade von vier oder fünf Männern schulterklopfend an einem Stehtisch begrüßt. Sofort riss Charly das dienstliche Handy ans Ohr und verdeckte damit sein Gesicht. Schnell ging er an dem Fenster vorbei und um den Bahnhof herum zurück zu Sandra.
    »Er genehmigt sich eine Halbe in der Stehkneipe. Ich glaub nicht, dass er mich gesehen hat.«
    »Wir stehen in der Kiss-and-Ride-Zone. Also wenn du hier auf ihn warten willst, dann müssen wir jetzt küssen«, erklärte Sandra mit einem koketten Augenaufschlag.
    »Wenn’s dienstlich notwendig ist.«
    Sandra lachte und schlüpfte schnell zur Tür hinaus. Sie fand, es sei vernünftiger, Bichler nicht aus den Augen zu lassen. Die nächste Episode, die nie in einem Observationsbericht Niederschlag finden würde.
    Sie ließen den Astra stehen und bezogen Posten. Verdeckt von einer Fahrplantafel am Gleis 3 konnten sie Bichler in der Kneipe gut beobachten. Gute zweieinhalb Stunden vergingen und es war bereits dunkel, als Bichler die Bahnhofswirtschaft wieder verließ und zurück zum Bussteig ging. Kaum war er um die Ecke gebogen, spurteten Sandra und Charly durch die Unterführung und die Bahnhofshalle zurück. Sie erreichten den Dienstwagen, als Bichler in den Bus der Linie 10 Richtung Stadtmitte einstieg. Erst nachdem er schon losgefahren war, bemerkte Charly einen Strafzettel, der unter dem Scheibenwischer klemmte. Ein weiteres Detail, das er in keinem Bericht erwähnen würde.
    Der Bus fuhr über die Adenauer-Brücke in die Innenstadt und hielt danach am Rathausplatz an. Bichler stieg aus und schlenderte zurück in Richtung Donau. Charly war bereits zu nah, um anzuhalten oder zu wenden. Darum mussten sie möglichst unauffällig an Bichler vorbeifahren und hoffen, dass er sie nicht erkannte. Als der Astra über das Kopfsteinpflaster des Rathausplatzes ratterte, klingelte Frau Kornburgs Romanze zart auf dem Rücksitz.
    Am Ende des Rathausplatzes, wo die Fußgängerzone begann, konnte Charly wenden. Von dort sahen sie im diffusen Schein der Schaufenster, wie Bichler, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben und den Kragen hochgestellt, die Straße überquerte und die Gaststätte Zum Hirschen betrat. Charly rangierte den Astra auf einen freien Platz vor einem gegenüberliegenden Reformhaus, von wo aus sie die Wirtschaft gut einsehen konnten.
    Der Hirsch hatte keinen guten Ruf. An dem gelb gestrichenen Gebäude, eigentlich ein geschichtsträchtiges Stadthaus, bröckelte der Putz, und niemand kümmert sich darum. Außen wie innen war das Bauwerk heruntergewirtschaftet. Charly wusste aus früheren Einsätzen, dass sich im Erdgeschoss die Gaststube und die Küche befanden. Im oberen Stock gab es einen kleinen Saal für geschlossene Gesellschaften und im Dachgeschoss hatte man einige einfache Zimmer, die wochenweise vermietet wurden, und eine Etagendusche eingerichtet. Genauso grenzwertig wie das Bauwerk war die Klientel der Gaststätte.
    Als Bichler den Hirschen betrat, brannte Licht in der Gaststube und im ersten Stock. Eine halbe Stunde später wagten Charly und Sandra im Schutz der Dunkelheit einen Blick durch die hell erleuchteten Fenster des Gastraumes. Bichler konnten sie unter den wenigen Gästen nicht ausmachen.
    Um nicht aufzufallen, hatten sich die Ermittler als Pärchen getarnt, das versonnen durch die Nacht spazierte. Charly hatte seinen Arm um Sandras Schultern gelegt und sie den ihren um seine Hüfte. Er konnte nicht behaupten, dass es unangenehm war, Sandras jugendlichen Körper so nah zu spüren. Als er aber daran dachte, was sie an seiner Taille alles fühlen mochte, war ihm bei der Umarmung gar nicht mehr so wohl.
    Danach stiegen sie aus dem Dienstwagen nicht mehr aus, denn immer wieder betraten oder verließen Personen einzeln oder in kleinen Gruppen den Hirschen. Manche davon passten vom Outfit her nicht zur

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