Bauernopfer
aus, dass die Tat als Mord entdeckt wird. Dann legt er die Waffe in die rechte Hand, damit er hinterher sagen kann, wenn ich es gewesen wäre, hätte ich die Waffe doch in die linke Hand gelegt«, sinnierte Helmuth.
»Oder der Schütze konnte sich vielleicht nicht aussuchen, ob er von rechts oder links schießt«, fügte Charly noch an. »Es musste schnell gehen. Und wenn der Einschuss dann auf der rechten Seite ist, kann er ja die Waffe nicht in die Linke legen.«
Ganz kurz sah Sandra verwirrt aus, so als könne sie nicht begreifen, warum ihre Kollegen nicht voll auf ihre Theorie abfuhren. Dann entschied sie aber, sich in dieser Sache von Logik nicht verwirren zu lassen, und schüttelte trotzig den Kopf, dass der Pferdeschwanz hin und her flog.
»Für mich war’s die Heuschreck. Werd’s es scho’ seh’n!« Sie stand auf, packte Frau Kornburgs Romanze zusammen und verließ das Büro mit dem Hinweis, dass sie noch etwas zu erledigen habe.
Helmuth seinerseits floh vor STUPID. Er müsse bei der Inspektion noch einiges abklären wegen seiner Abordnung, und weg war er.
Charly war versucht, die Ruhe zu genießen und ertappte sich dabei, wie er gedankenverloren die rotgelben Kastanienblätter in der Herbstsonne und das Verkehrsgeschehen auf der Kreuzung dahinter betrachtete. Endlich gab er sich einen Ruck und wählte die Nummer der Staatsanwältin. Er hatte Glück und erreichte Frau Gambrini-Steinmetz zwischen zwei Gerichtsverhandlungen in ihrem Büro. Nachdem er ihr ausführlich die neuesten Erkenntnisse dargelegt hatte, konnte er regelrecht hören, wie die Staatsanwältin am anderen Ende überlegte.
Schließlich ließ sie ein langgezogenes »Okayyy« hören. »Schreiben Sie mir bitte für jeden der Kandidaten einen Antrag auf DNA-Untersuchung. Ich glaub, wir beschränken uns zunächst auf die Gebrüder Bichler. Und natürlich auch einen Antrag für die Frau Heudeck-Bichler. Meiner Meinung nach könnte sie vielleicht das Verhältnis ihres Mannes entdeckt haben und wenn sie so kalt ist, wie sie von Ihnen geschildert wird, dann kann sie durchaus den Schwiegervater, der ihr sowieso nichts bedeutet, erschießen, um wenigstens finanziell aus der Ehe Kapital zu schlagen, bevor sie sich scheiden lässt.«
Charly nahm sich vor, künftig über Tatmotive noch genauer, länger und abstruser nachzudenken. Er versicherte der Anklägerin, sie werde am Nachmittag alle Anträge auf dem Tisch haben, um dann bei Gericht die nötigen Beschlüsse erwirken zu können. Danach vergrub er sich wieder in den Aktenstapel. Er schaffte es so sehr, sich auf die Alltagsfälle zu konzentrieren, dass er es gar nicht registrierte, als jemand sein Büro betrat.
»Kollege Valentin?«
»Ja?« Charly sah auf und erblickte im Türrahmen eine herbe Schönheit. Markante Wangenknochen, ein kantiges Kinn und blonde Haare, die das blasse Gesicht umrahmten. Er hatte sie noch nie gesehen, da war er sicher. Diese Brunhilden-Figur hätte er sich gemerkt.
Ihre blassgrauen Augen sahen ihn herausfordernd an. »Dorothea Skrapczik«, stellte sie sich vor.
»Gesundheit!«
»Ich bin die Frauenbeauftragte unseres Verbandes.«
Charly vermochte nicht zu sagen, ob sein kleiner Scherz sie amüsiert hatte. Gelächelt hatte sie jedenfalls nicht. Darum sagte er nur vorsichtig: »Grüß Gott«.
»Herr Kollege, ich bin gekommen, weil ein Zeitungsartikel vom Wochenende in der Führungsebene für Irritationen sorgt. Zum Zweiten liegt uns eine Beschwerde darüber vor, dass Sie Ihre Ermittlungen nicht frei von Vorurteilen gegenüber Frauen und insbesondere gegenüber jungen Mädchen führen.«
Charly schluckte und atmete tief durch. »Wer hat sich denn beschwert?«, fragte er betont ruhig.
Doch die Frauenbeauftragte berief sich auf eine Art Amtsverschwiegenheit. Es sei einer ihrer Grundsätze, die Beschwerdeführerinnen und -führer nicht preiszugeben, um sie nicht noch größeren Benachteiligungen auszusetzen. Charlys Beteuerungen, niemanden benachteiligt zu haben, schenkte Frau Dorothea anscheinend wenig Glauben. Misstrauisch musterte sie Charly, während sie seine Einschätzung der nach Aufmerksamkeit heischenden Kiara aus dem Zeitungsartikel zitierte.
Charly musste sich sehr zusammennehmen, denn er spürte, wie es in ihm zu brodeln begann. ’
»Als Ermittler muss man nun mal alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und prüfen.«
»Richtig! Aber man sollte objektiv bleiben und nicht von vornherein davon ausgehen, dass alle jungen Mädchen lügen.«
»Also, das
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