Bauernsalat
vielleicht seltsam erscheinen, aber ich versuche aus rein privaten Motiven, etwas Licht in die Geschehnisse des Todestages zu bringen, und dabei bin ich auf Ihren Namen gestoßen.«
»Ich verstehe.« Wenn Gustav Reineke Alexas Anliegen verwunderlich fand, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bringe ich nur gerade das Fahrrad in den Schuppen.« Reineke machte sich sogleich ans Werk. Der Schuppen war die alte Garage, die sich linker Hand an das Wohnhaus anschloß. Nachdem er sein Fahrrad durch eine Tür im Garagentor hineingeschoben hatte, kam er zu Alexa zurück.
»Kommen Sie doch mit herein!«, forderte er Alexa auf, während er den Haustürschlüssel aus der Jacke kramte. »Aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß ich Ihnen nicht allzu viel helfen kann, fürchte ich.«
Eigentlich hatte Alexa genau das erwartet, trotzdem folgte sie dem Hausbesitzer dankbar hinein. Das Innere war um einiges moderner eingerichtet als Gertrud Wiegands Haus. Außerdem wirkte alles frisch renoviert Gustav Reineke hatte sich viel Mühe mit seinem neuen Zuhause gegeben.
»Wohnte früher nicht Herr Droste hier?«, fragte Alexa, als sie dem Gastgeber ins Eßzimmer folgte. »Ist er gestorben?«
»Herr Droste wohnt jetzt im Altenheim in Hesperde«, erklärte Reineke, während er sich die Jacke auszog. »Er hat das Haus verkauft, um sich die Unterbringung dort leisten zu können.«
»Hatte er keine Kinder, die das Haus wollten?« Alexa fragte sich im selben Moment, ob ihre Frage Herrn Reineke treffen konnte. Es hörte sich fast so an, als würde sie ihm das Haus nicht gönnen. Ihr Gegenüber reagierte keineswegs peinlich berührt.
»Im Gegenteil!«, antwortete er. »Der einzige Sohn war froh, als die Immobilie endlich verkauft war. Ansonsten hätte er selbst nämlich die Heimkosten tragen müssen.«
Alexa trat ans Fenster und genoß den Blick auf den schönen Garten. Auch hier hatte Gustav Reineke Wunder gewirkt. »Ich besuche Herrn Droste gelegentlich«, sagte Reineke zu Alexas Verwunderung. »Er fühlt sich nicht sehr wohl im Heim. Kein Wunder, wenn man vorher einen so schönen Garten hatte.«
»Ich nehme an, Sie haben ihn erst zu dem gemacht, was er jetzt ist« Alexa lächelte. Herr Reineke zog sich einen Stuhl heran, bevor er antwortete. »Ein schöner Garten entwickelt sich von selbst, finden Sie nicht? Dieser Garten lebt von seinen alten Bäumen und Sträuchern, von seinen Wegen und Gräsern. Ich pflege ihn zwar, aber seine Schönheit kommt von selbst.«
»Sind Sie eigentlich zum Philosophieren hier aufs Land gezogen?«
Gustav Reineke lachte. Alexa fand, daß er einen ungemeinen Charme hatte.
»Gar nicht so falsch«, schmunzelte er. »Ich habe in der Tat für meinen Altersruhesitz etwas Ruhiges gesucht.«
»Darf ich fragen, wo Sie ursprünglich herkommen?« Alexa wandte sich um und nahm auf einem der Eßtischstühle Platz.
»Fragen dürfen Sie schon«, sagte Herr Reineke. »Aber es ist nicht so leicht zu beantworten. Ich habe fast mein ganzes Leben im Ruhrgebiet gewohnt, in Bochum genauer gesagt. Dort war ich Ingenieur beim Straßenbauamt. Geboren bin ich jedoch in Schlesien.«
»Und nun sind Sie im Sauerland gelandet!«, stellte Alexa trocken fest.
»Genau!«, antwortete Gustav Reineke augenzwinkernd. »Sie kommen doch selbst von hier. Folglich können Sie mich zu meinem Schicksal beglückwünschen.« Nun lachte Alexa.
»Zufällig ist mein Freund Vincent Rheinländer. Der tut sich manchmal ganz schön schwer mit dieser Gegend. Er hält uns wohl nicht gerade für aufgeschlossen.«
»Nun, ein sauerländisches Dorf hat natürlich ganz feste, eingefahrene Strukturen. Als Fremder kommt man nicht so ganz leicht dazwischen«, gab Reineke zu. »Aber für meine Bedürfnisse reicht‘ s. Ich habe das Gefühl, die Leute akzeptieren mich.«
»Doch was hat Sie bewogen, sich gerade hier ein Haus zu suchen? Haben Sie mit einem Dartpfeil auf die Landkarte gezielt?«
Reineke lachte wieder, laut und herzlich. »Ganz so war es nicht. Ich kenne die Gegend noch von früher. Aus Zeiten, als Sie noch gar nicht geboren waren. Von daher weiß ich die Landschaft zu schätzen. Ich liebe die Natur. Und die Menschen sind doch überall gleich. Es gibt gute und schlechte, meinen Sie nicht?«
»Natürlich haben Sie recht!« Alexa grinste. »Ich versuche täglich meinen Freund davon zu überzeugen, daß die guten sich vorwiegend im Sauerland aufhalten.« Plötzlich wurde Alexa ernst. »Eigentlich bin ich
Weitere Kostenlose Bücher