Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
Vom Netzwerk:
selbst in einen der Sessel fallen, Alexa nahm auf der vordersten Kante des Chippendale-Sofas Platz. Direkt vor ihr stand auf dem Wohnzimmertisch eine Porzellanschale mit angestaubten Plätzchen, die den Eindruck erweckten, sie hätten schon den Ersten Weltkrieg miterlebt.
    »Zumindest war ich in meiner Kindheit gut mit ihm befreundet«, erklärte Alexa. »Der Kontakt ist jetzt nicht mehr sehr intensiv. Aber trotzdem hat mich die Nachricht von dem – dem Todesfall sehr mitgenommen.« Alexa hatte einen Augenblick in ihrer Wortwahl gezögert. Mit dem Wort »Unfall« hätte sie Gertrud Wiegands Zeugenaussage von vornherein für unglaubwürdig erklärt. Andererseits sträubte sie sich nach wie vor dagegen, von Mord zu sprechen.
    »Du kannst mir glauben. Ich bin immer noch nicht über den Anblick des alten Schulte-Vielhaber hinweg«, erklärte Frau Wiegand. »So was bekommt man Gott sei Dank nicht alle Tage zu sehen.«
    »Ich kann mir vorstellen, daß sein Anblick Sie erschüttert hat. Er ist ja aus mehreren Metern Höhe gestürzt und muß gräßlich ausgesehen haben.«
    »Das ist die eine Sache«, sagte Frau Wiegand und ihre Stimme nahm plötzlich einen eindringlichen Tonfall an. »Aber zu wissen, daß ihn da jemand heruntergestürzt hat, ist das wirklich Unheimliche. Du kannst mir glauben, ich habe seitdem keine Nacht mehr ruhig schlafen können.« Alexa wußte, daß sie jetzt am Kernpunkt des Gesprächs angekommen waren.
    »Was genau haben Sie denn vorher gehört?« Frau Wiegand sammelte sich einen Augenblick. Dann begann sie zu sprechen, wobei sie Alexa mit einem konzentrierten Blick anschaute.
    »Ich hatte ziemlich lange mit Hannah geplauscht«, begann sie, und Alexa war sich sicher, daß sie die Geschichte inzwischen schon hundertmal hatte erzählen müssen. Trotzdem war ihre Schilderung von ungeheurer Intensität. »Wir hatten über alles Mögliche gesprochen, über das Erntedankfest, über die Chorproben, über den Pastor.« Alexa wußte, daß gerade Letzteres im Dorf ein dankbares Thema war.
    »Dann aber schaute ich auf die Uhr und stellte fest, daß ich mich überall zu lange aufgehalten hatte. Auf dem Weg zu Schulte-Vielhabers hatte ich nämlich schon Hilde Domscheidt getroffen und mit der eine Viertelstunde palavert. Kurz: Ich mußte mich beeilen. Es war schon halb vier, und ich hatte Schmidten Leni versprochen, noch bei ihr vorbeizukommen.« Alexa nickte, um ihr Interesse zu signalisieren. Sie wußte, wer Schmidten Leni war: die Frau, die bis vor Kurzem die kleine Postfiliale im Ort geführt hatte.
    »Ich hatte es ziemlich eilig, als ich dann mit meinem Korb voller Eier über den Hof ging. Deshalb achtete ich auch nicht gleich auf die Geräusche, die hinter der Scheune herkamen. Erst als ich den Hofplatz fast überquert hatte, wurde ich aufmerksam auf die Stimmen. Ich habe vom Dach der Scheune ganz deutlich eine Stimme gehört, und zwar die von Franz Schulte-Vielhaber selbst. Sehen konnte ich ihn nicht, doch habe ich einigermaßen verstanden, was er gesagt hat. Er brüllte: ’Laß mich in Ruhe und pack dich weg’. Kurze Zeit später hörte ich dann ’Ich habe nichts Schlimmes getan’ oder so ähnlich, und dann schrie der Bauer noch:« Laß die Leiter stehen! ». Kurz drauf hörte ich einen Schrei und dann ein metallenes Geräusch, wohl von der Leiter, die aufgeknallt ist.«
    Alexa hörte atemlos zu. Gertrud Wiegands Bericht fesselte sie.
    »Und dann? Sind Sie dann hingelaufen?«
    »Ich habe einen Schreck gekriegt. Ich wußte sofort, daß etwas Schreckliches passiert war. Dieser Aufprall und dieser gräßliche Schrei!« Alexa sah, daß Frau Wiegand auch jetzt noch mit den Bildern zu kämpfen hatte.
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie nur eine Stimme gehört, nicht wahr?«
    »Nein, ich habe zwei Stimmen gehört. Nur habe ich nicht verstanden, was der andere gesagt hat. Seine Stimme war viel schlechter zu verstehen. Vermutlich hat er am Boden gestanden.«
    »Und Sie sind sich ganz sicher?«
    Frau Wiegand sah Alexa einen Augenblick fest in die Augen, bevor sie antwortete. »Meinst du, ich weiß nicht, daß ich damit den Elmar belaste? Aber ich kann nichts anderes als die Wahrheit sagen. Obwohl ich den Elmar gerne hab und weiß, welchen Ärger er oft mit dem Franz hatte. Als ich ankam und über den Hof ging, habe ich die beiden doch noch streiten sehen. Sie standen vorm Stall und gifteten sich an. Ich weiß, wie schwer Elmar es mit dem Alten hatte, das kannst du mir glauben. Aber trotzdem: Ich habe die

Weitere Kostenlose Bücher