Bauernsalat
Und die Geschichte ging doch immer weiter. Jetzt machte er auch dem Jungen das Leben schwer.«
»Du spinnst ja – die Hannah«, sagte Alexas Vater bloß.
»Du bist jünger, du hast es ja nicht mitgekriegt, wie der hinter den Weibern her war.«
Alexa registrierte mit Interesse, daß Willi beinahe dieselbe Wortwahl hatte wie Ursel Sauer. Nur, daß Willi es mehr mit »Weibern« als mit Frauen hatte.
»Es war schon ein Wunder, wenn er nicht der Hannah auch mal auf den Leib gerückt wäre. Zumindest, als der Paule tot war.«
»Die Hannah hätte sich das nie gefallen lassen. Wehren konnte die sich. Und zur Not wär sie weggegangen.« Alexas Vater wurde das ganze Gespräch zu viel.
»Man weiß es nicht. Später ist er ja ruhiger geworden, aber in jungen Jahren – eine Katastrophe war das.«
»Wann ist er denn ruhiger geworden?« Alexa versuchte sich möglichst unauffällig in das Gespräch einzuschalten, nicht so, daß es den Männern peinlich wurde.
Willi schnaubte, bevor er antwortete. »Na, als er älter wurde eben.« Dann kratzte er sich am Kopf. »Aber einen ersten Dämpfer hat man schon gemerkt, als das mit der Magd passiert ist.«
»Mit der Magd?«
»Jetzt laß doch die alten Kamellen, das muß doch über fünfzig Jahre her sein.« Alexas Vater wurde die Situation immer unangenehmer.
»Vielleicht ist es aber heute noch wichtig«, warf Alexa ein. Sie kannte ihren Vater. Er war ein Dorfmensch. Einer, dem am harmonischen Miteinander im Ort sehr viel gelegen war. Allein die Mordgeschichte mußte ihn unglaublich erschüttert haben. Daß jetzt noch unschöne Geschichten aus der Vergangenheit aufgetischt wurden, das war zu viel.
»Wie war das denn jetzt mit der Magd?« bohrte Alexa trotzdem weiter.
»So genau weiß ich das auch nicht mehr. Ist wirklich schon ziemlich lange her.« Willi war auf dem Rückzug, ganz eindeutig.
»Es würde mich sehr interessieren, wirklich!«
»Nachher sagt man was Falsches, und dann hat man den Salat«, brummte Willi und nahm den letzten Schluck aus seiner Bierflasche. »Es gibt Leute, die das viel besser wissen als ich.«
»Wer zum Beispiel? Wer?« Alexa hatte das Gefühl, ganz nah dran zu sein an einer Spur. Sie wollte jetzt nicht nachgeben, auf gar keinen Fall.
»Der alte Pastor bestimmt«, sagte Willi nach kurzem Nachdenken. »Der Rohberg, der hat sich damals um die Magd gekümmert.«
»Und der lebt noch?«
»Der lebt noch«, sagte Willi voller Überzeugung. »Sonst hätten wir was davon gehört bestimmt. Der ist doch im Altenstift für Priester, nicht Hans, da in Bad Driburg ist der doch, woll?«
»Keine Ahnung, wo der ist«, sagte Alexas Vater mißmutig. »Woher soll ich denn das wissen? Auf jeden Fall hab ich jetzt Hunger.«
13
»Na, fleißig bei der Arbeit?« Leo schaute mir von hinten über die Schulter. Ich versuchte hilflos, mit den Händen zuzuhalten, was ich während der Freistunde auf meinen Notizblock gekritzelt hatte.
»Laß mich raten – die Figurenkonstellation aus Schillers Die Räuber?«
»So ähnlich!« Ich drehte den Block kurzerhand um. Leo ließ sich schwerfällig auf den Stuhl neben mir fallen.
»Störe ich?« Seine Frage war reine Rhetorik. Um ihn loszuwerden, hätte ich ihm erklären müssen, daß ich innerhalb einer halben Stunde noch eine komplette Klassenarbeit zu korrigieren hätte.
»Ehrlich gesagt bin ich mit meinen Gedanken ganz woanders«, gestand ich. »Mir geht dieser Mordfall durch den Kopf. Du weißt schon, auf dem Bauernhof.«
»Der Mordfall?« Leo hob die Augenbrauen, was seine übergroße Nase besonders hervorhob. »Hat sich deine Meinung zu dem ganzen Geschehen geändert?«
Ich drehte meinen Block mit den Namen aller beteiligter Personen um, auf die wir bislang im Zusammenhang mit dem Mordfall gestoßen waren: Elmar und Hannah Schulte-Vielhaber, Elmars Freundin Anne und der Adoptivsohn Frank sowie die Personen, die am Samstag Nachmittag mehr oder weniger kurz auf dem Hof gewesen waren. Ich erläuterte Leo kurz, in welchem Verhältnis die Namen zu dem verstorbenen Franz Schulte-Vielhaber standen.
»Alexa hat gestern mit der Frau gesprochen, die mit angehört haben will, wie der alte Bauer kurz vor dem Sturz mit jemandem gestritten hat Alexa hält die Zeugin für absolut glaubwürdig. Natürlich hat das unsere Perspektive verändert.«
Ich drehte an dem Kugelschreiber, den ich in der Hand hielt. Leo studierte die Namen auf dem Papier.
»Eine Person fehlt noch«, sagte ich nach einer kurzen Pause. »Alexa ist auf sie
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