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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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gehört. Damals hatte sich daran niemand gestört.
    Die Tür zum Stall war nicht abgeschlossen, Alexa ging durch den Vorraum und warf einen Blick in das Stallinnere. Elmar hatte recht gehabt mit seiner artgerechten Tierhaltung. Die Schweine standen außergewöhnlich lose, so hatte es Alexas Professor im Studium immer formuliert. Genauer: Die Tiere hatten in ihren Boxen verhältnismäßig viel Platz und waren nicht eingezwängt wie Hennen in der Legebatterie. Alexa sah auf einen Blick, daß Elmar nicht hier war. Sie lief um den Stall herum und überlegte gerade, ob sie zur Haustür zurück oder zur Maschinenhalle gehen sollte, als sie Elmar entdeckte. Durch eine Lücke in der dichten Hecke, die den Stall vom Garten abgrenzte, sah sie Elmar auf einer Gartenbank sitzen. Er saß mit dem Rücken zu ihr, weit nach vorn gebeugt, die Arme auf die Knie gestützt Alexa zwängte sich durch die Hecke und ging quer durch den Garten zu ihm hin.
    »Denkst du an die Schaukel?« Elmar erschreckte sich gar nicht, als sie sprach. Es war fast so, als hätte er auf sie gewartet. »Genau daran denke ich.«
    Alexa setzte sich neben Elmar und betrachtete die Bäume, die schon einen Teil ihrer Blätter abgeworfen hatten. An den Apfelbäumen hingen noch ein paar übrig gebliebene Äpfel, die verführerisch leuchteten, aber innerlich wahrscheinlich längst zerfressen waren. Mitten im Garten stand eine riesige Buche. Alexa schloß die Augen. Als sie ein Kind gewesen war, hatten sie hier häufig gespielt. Das Tollste dabei war die Schaukel gewesen, die Baumschaukel, die Elmars Vater vor Jahren ganz oben am Ast befestigt hatte.
    »Weißt du, was ich immer gedacht habe, wenn ich geschaukelt bin?« Elmar sprach etwas heiser. »Ich dachte immer, ich schaukele so hoch, daß ich dem Himmel ganz nah bin.«
    »Du hast immer die Augen zugemacht beim Schaukeln«, sagte Alexa. »Wenn ich das gemacht habe, wurde es mir ganz schwindelig.«
    »Ich habe die Augen zugemacht und gedacht so ist es im Himmel.«
    »Vielleicht ist es so.«
    »Vielleicht. Als mein Vater gestorben ist, fand ich es besonders schön auf der Schaukel. Wenn ich schaukelte, war ich ihm ganz nah.«
    »Du hast sehr unter seinem Tod gelitten, nicht wahr?«
    »Ich war ein Kind, ich war zehn.«
    Alexa schwieg.
    »In letzter Zeit habe ich wieder oft an ihn denken müssen. Klar, wenn man erneut einen Todesfall in der Familie hat.«
    »Ich habe eben den Kommissar getroffen, den Steinschulte. Er sagte, dein Onkel könnte bald beerdigt werden.«
    »Ja, das stimmt«, Elmar lehnte sich jetzt auch zurück. »Mama ist auch gleich losgefahren, zum Beerdigungsinstitut Sie will sich um alles kümmern.«
    »Was hat er denn sonst noch gefragt?«
    »Dieser Steinschulte? Immer dasselbe.«
    Alexa blickte Elmar von der Seite an. Sie wartete darauf, daß er ihr von dem Testament erzählte. Aber Elmar schwieg.
    »Ich habe auch mit ein paar Leuten aus dem Dorf gesprochen, das hab ich dir ja vorher gesagt.« Elmar nickte. »Leider kann keiner etwas wirklich Entlastendes sagen. Aber durch Zufall bin ich auf eine interessante Geschichte gestoßen.« Alexa wickelte ihren Finger in das Band ihrer Jacke ein. »Dein Onkel scheint ziemlich heftig gewesen zu sein, was Frauen angeht. Er hat sie bedrängt, belästigt, wie immer man das nennen will. In einem Fall jedoch scheint er noch weiter gegangen zu sein. Es hat angeblich eine Magd hier auf dem Hof gegeben, die unter ihm zu leiden hatte.«
    Elmar schaute Alexa interessiert an. »Eine Magd?«
    »Ja, das Ganze ist natürlich schon ewig her. Hast du darüber nie etwas gehört?«
    »Nicht, daß ich wüßte. Klar, daß er ein aufdringlicher Kotzbrocken gewesen ist, das weiß ich auch. Das wird vor meiner Zeit wohl noch schlimmer gewesen sein. Angeblich besonders dann, wenn er etwas getrunken hatte. Aber von einer Magd habe ich nie gehört.«
    »Es scheint einen Priester zu geben, der sich damals der Magd angenommen hat. Er müßte darüber mehr wissen.«
    »Aha!« Alexa hörte ein Mißfallen.
    »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was diese Geschichte bringen soll. Die Frau muß uralt sein. Vielleicht ist sie sogar schon gestorben. Du meinst doch nicht im Ernst, daß das irgendwas mit dem Unfall zu tun hat« Elmar reagierte auffallend nervös. »Ich weiß nichts darüber! Und Mama wird auch nichts wissen. Laß sie bloß damit in Ruhe!«
    Plötzlich ging ein heftiger Wind, obwohl Alexa der Garten vorher ganz windstill vorgekommen war. Alexa zog den Reißverschluß ihrer Jacke etwas

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