Bauernsalat
wichtig, eine Beziehung zu Rohberg herzustellen, welcher Art auch immer.
»Das stimmt. Leider werden die Frauen in der Kirche wenig gehört.« Rohberg rieb sich die Nase und wechselte die Stellung seiner Beine.
»Ihre Einstellung zu diesem Thema freut mich«, sagte Alexa und versuchte, den Bogen zurück zum Ausgangspunkt zu schlagen. »In meiner Geschichte haben Sie sich um eine Frau gekümmert, die Hilfe brauchte. Eine Frau, die, in welcher Form auch immer, unter Franz Schulte-Vielhaber gelitten hat.«
»Ich weiß, worum es geht«, versicherte Rohberg, »aber ich glaube beim besten Willen nicht, daß die Sache Sie weiterbringen kann.«
»Würden Sie mir trotzdem davon erzählen?«
Rohberg sah Alexa noch einmal fest in die Augen. »Ich werde Ihnen die Geschichte erzählen«, sagte er dann nach einer kurzen Pause, »wenn Sie mir versprechen, daß Sie das Gehörte nicht gegen einen der Beteiligten verwenden, weder gegen die Frau, um die es geht, noch gegen die Nachkommen des Bauern. Ich verlasse mich auf Sie.«
»Ich verspreche es«, meinte Alexa ohne Zögern. »Ich verspreche, daß ich die Geschichte nur im Zusammenhang mit diesem Mordfall untersuchen werde. Ansonsten werde ich kein unnötiges Wort darüber verlieren.«
»Gut!« Der alte Priester lehnte sich jetzt ein wenig nach vorne, als müsse er sich mit aller Macht konzentrieren, um die Erinnerung lebendig werden zu lassen.
»Ich war noch gar nicht lange da«, begann er zu erzählen, »als Maria Scholenski zu mir kam. Sie war eine Polin, die als Zwangsarbeiterin ins Sauerland gekommen war. Sie hatte zwei Jahre in einem Kalkwerk in der Nähe gearbeitet. Als der Krieg zu Ende war, ging sie nicht wie ihre Landsleute zurück. Sie hätte nicht gewußt wohin, erzählte sie mir später. Ihre Eltern waren im Krieg umgekommen, ein Bruder vermißt. Maria Scholenski, die übrigens höchstens vierundzwanzig war, als ich sie kennenlernte, muß irgendwie Kontakt in der Bevölkerung geknüpft haben, denn anders war es gar nicht zu erklären, daß sie als Magd auf dem Hof Schulte-Vielhaber unterkam. Überall herrschte das Chaos in den Jahren, jeder suchte Arbeit oder irgendeine Möglichkeit, um an Lebensmittel zu kommen. Die Stelle als Magd auf einem reichen Hof war für die junge Frau ein Glücksfall – zumindest wäre sie das gewesen, wenn dann nicht diese Geschichte passiert wäre.« Rohberg machte eine kleine Pause und sammelte sich für das, was jetzt kam. »Wie gesagt, ich war noch gar nicht lange da. Nach dem Krieg konnte ich sofort meine Priesterausbildung beenden, die ich schon vor dem Krieg begonnen hatte. Danach sollte ich meine erste Vikarstelle antreten. Und die war eben in Renkhausen. Ich war selbst noch ein schrecklich unsicherer Mensch, wußte kaum, wie ich meine Sache anpacken sollte. Auf der anderen Seite waren die Leute voller Hunger, nicht nur nach Essen, das waren sie natürlich auch. Nein, ich meine etwas anderes. Die Leute hungerten nach Beistand, nach Hoffnung, nach Frieden. Und all das sollte ich ihnen vermitteln, als junger Spund, der nicht ein Bruchteil von dem gesehen hatte, was viele im Krieg erlebt hatten. Gleichzeitig war es eine große Herausforderung. Ich fühlte einen Auftrag, und wenn ich auch oft unsicher war, so hatte ich doch das Gefühl, an einer guten Sache zu arbeiten, den Menschen helfen zu können.«
»In dieser Zeit kam Maria Scholenski zu Ihnen?«
»Ja, sie kam zu mir. Ich kannte sie schon aus dem Gottesdienst. Sie kam jeden Sonntag in die Frühmesse, ein ganz stilles Geschöpf, aber trotzdem wußte ich in einem so kleinen Ort schon bald, wer sie war – nämlich eine Magd vom Hof Schulte-Vielhaber. Ich habe keine Ahnung, wie viel sie in der Messe wirklich verstanden hat. Sie sprach damals nur sehr gebrochen deutsch, aber letztlich ist es ja auch egal, in welcher Sprache man den Gottesdienst verfolgt. Sie wird sich trotzdem zu Hause gefühlt haben. Sie ist sehr religiös erzogen worden in ihrer Heimat, wie wohl die meisten Polen.«
Alexa saß angespannt da und wartete, daß Rohberg endlich auf den Punkt kam.
»An einem regnerischen Abend stand Maria Scholenski auf einmal vor meiner Tür. Ich habe sie zunächst gar nicht erkannt. Es war stockdunkel, fast Mitternacht, da stand plötzlich diese klitschnasse Frau weinend vor der Tür. Sie konnte kaum sprechen vor lauter Verzweiflung. Deshalb habe ich sie erstmal ins Haus geholt.«
»Was hat sie erzählt?«
»Wie ich schon sagte, sie konnte nicht sehr gut deutsch. Trotzdem
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