Bauernsalat
Korrekturen da liegen. Die muß ich am Wochenende unbedingt durchkriegen.«
»Du hast doch heute Abend noch Zeit und morgen früh. Ich hole dich so gegen zwei Uhr ab, einverstanden?«
Ich stöhnte laut und vernehmlich und ließ mich gleichzeitig auf eine Bank fallen, die einen wunderschönen Blick auf den Fluß zuließ. Plötzlich huschte etwas neben meinen Füßen durch, eine Maus, die seitlich ins Gebüsch peste. Ein paar Sekunden später flitzte eine Zweite hinterher.
»Feldmäuse«, erklärte Alexa lapidar. »Die haben viel zu tun, sie bereiten sich auf den Winter vor.«
»Wie romantisch«, murmelte ich. »Stell dir vor, wir wären zwei Feldmäuse und dürften den ganzen Winter in einem kleinen Loch verbringen. Jedes Jahr würdest du sechs bis acht Junge werfen, und ich würde ab und zu draußen nach dem Rechten sehen.«
Alexa lächelte schwach. »Du als Vater – das ist eine ungewöhnliche Vorstellung.«
»Das finde ich auch«, antwortete ich entsetzter, als es eigentlich klingen sollte. In diesem Moment klingelte Alexas Handy.
»Das war dein Wochenende«, miesepeterte ich. Alexa stöberte genervt in ihrer Jackentasche herum.
»Ja?« In ihre Stimme legte sie alles, um zu demonstrieren, daß nur eine halbe Schafherde sie jetzt zum Dienst treiben konnte. »Max, du bist es!« Ich blickte irritiert. Daß Max, mein Freund aus den ersten Tagen im Sauerland, sich telefonisch meldete, war eine Seltenheit, seitdem er seine Reise durch die Welt begonnen hatte. Fast ein Jahr war er schon fort. Damals, nachdem wir zusammen den Schützenfestmord aufgeklärt hatten, hatte Max sich entschlossen, seinem Leben eine Wende zu geben. Er wollte den Frust der vergangenen Jahre hinter sich lassen und ganz neu anfangen. So selten, wie er sich meldete, war ich mir nicht sicher, ob er jemals wiederkommen würde.
»Wieso erreichst du ihn nie? Stell dir vor – er arbeitet immer noch als Lehrer. Sie haben ihn noch immer nicht rausgeworfen. Ja, genau, deshalb ist er in der Woche halbtags beschäftigt«
Alexa amüsierte sich königlich über meinen sauren Gesichtsausdruck.
»Klar kannst du ihn haben – er hat ja jetzt Wochenende und muß erst am Montagmorgen wieder ran.«
Alexa drückte mir mit einem zuckersüßen Lächeln ihr Handy in die Hand.
»Frauen sind strategisch unklug«, sagte ich statt einer Begrüßung. »Sie wollte etwas von mir und hat sich nun alles eigenmächtig verbaut.«
»Wo sie recht hat, hat sie recht«
»Sag noch ein Wort – du, der du seit Monaten in der Welt herumgondelst und froh sein kannst, wenn du aus meinen Steuergeldern später eine Mindestrente ausgezahlt bekommst«
»Zahlst du als Beamter überhaupt Steuern?«
»Darfst du als hauptberuflicher Taxifahrer überhaupt solche Fragen stellen?«
»Schön, deine Stimme zu hören, Vincent!«
»Das sagen meine Schüler auch immer. Ich würde dich lieber mal wieder live erleben. Kommst du in diesem Jahrtausend noch nach Deutschland?«
»Ich bin schon drin. In Hamburg, genauer gesagt. Und bald werde ich wieder bei euch sein.«
»Das gibt’s nicht!«
»Doch, ich bin endlich angekommen. Ich habe viel nachgedacht in den letzten Monaten und weiß jetzt, was ich will.«
»Du willst Lehrer werden!«
»Ganz so schlimm ist es nicht. Aber ihr werdet euch trotzdem wundern. Ich erzähl aber erst alles, wenn ich da bin.«
»Wann genau kommst du denn?«
»Ich meld mich nochmal. Ciao.«
Das Gespräch war unterbrochen.
»Er kommt tatsächlich zurück?« Alexa schaute mich mit fragendem Blick an.
»Hat er jedenfalls gesagt. Aber frag mich nicht, wann.«
»Das gibt’s doch gar nicht!« Alexa verstaute ihr Handy wieder in der Jackentasche und langte nach meiner Hand. »Wo waren wir eben eigentlich stehen geblieben? Bei den Feldmäusen?«
Ich war stark in Gedanken und hatte Alexas Frage gar nicht richtig mitbekommen. Deshalb starrte ich sie erst ein paar Sekunden an, bevor ich antwortete.
»Nein, es hatte eher etwas mit unstrategischen Frauen zu tun – mit solchen, die im Leben keinen Feldmausmann fangen würden.«
Im nächsten Augenblick küßte meine Freundin mich so leidenschaftlich, daß ich ihr in jedes Mauseloch gefolgt wäre.
17
Als Alexa am Samstag um zwei Uhr kam, war ich noch mitten in den Korrekturen, obwohl ich mich tatsächlich schon amAbend zuvor drangesetzt hatte. Alexa beschloß, daß es gut für mich sei, eine Denkpause zu machen, und so saß ich kurze Zeit später neben ihr auf dem Weg zu Elmar und Co. Ich war wenig gesprächig auf
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