Bauernsalat
Scholenski?«, fragte ich, bevor ich einen Schluck aus der dampfenden Tasse nahm.
Hilde Domscheidt ließ sich erst etwas schwerfällig auf ihren Stuhl fallen, ehe sie antwortete.
»Meine Schwester Klara, die vor zwei Jahren verstorben ist, und ich, wir haben Greta Radeberg früher häufig bei der Küsterei geholfen. Daher waren wir sehr gut befreundet«
»Greta Radeberg war die Küsterin, die Maria Scholenski geholfen hat?«
»Genau«, Hilde Domscheidt nickte nachdenklich, ohne einen von uns anzuschauen. »Es war im Frühjahr sechsundvierzig. Greta kam eines Morgens vorbei und sagte, sie brauche unsere Hilfe. Sie wolle das Mädchen mit der Bahn ins Münsterland bringen, ich solle mich in der Zwischenzeit um ihre Mutter kümmern. Greta pflegte nämlich nebenbei auch noch ihre kranke Mutter.«
»Hat Ihre Freundin Ihnen Näheres darüber erzählt, was mit Maria Scholenski vorgefallen ist?«, wollte Alexa wissen.
»Natürlich. Sie hat gesagt, daß der Bauer sich an ihr vergangen hat, und es fiel mir nicht schwer, das zu glauben. Greta und der Pastor hatten in Windeseile einen Hof ausgemacht, wo man das Mädchen unterbringen konnte. Dahin sollte sie nun gebracht werden.«
»Können Sie sich erinnern, wo dieser Hof genau war?« Jetzt wurde es spannend. Alexa und ich rückten unweigerlich näher an den Tisch heran.
»Ich habe schon die ganze Zeit darüber nachgedacht«, Hilde Domscheidt runzelte die Stirn. »Schließlich hat der Herr Pastor mich darauf vorbereitet, daß Sie mich das fragen würden, aber der Name des Hofes ist mir bei Gott nicht eingefallen.«
»Aber der Ort, wissen Sie den Ort noch, das Dorf, zu dem der Hof gehörte?«
»Das Dorf? Natürlich, das Dorf hieß Seppenrade.«
Alexa und ich atmeten beide glücklich auf. Wenn wir den Namen des Dorfes wußten, würden wir den Hof schon ausfindig machen können. Alexa nahm einen Schluck Kaffee. Ich selbst überlegte, ob Hilde Domscheidt uns noch in anderen Fragen weiterhelfen konnte.
»Sie sagten eben, daß es Ihnen nicht schwerfiel, sich Franz Schulte-Vielhaber als Vergewaltiger vorzustellen. Sein Ruf scheint durchweg schlecht gewesen zu sein, würden Sie dem zustimmen?«
»Nun, er war ein grober Klotz und, wenn er getrunken hatte, geradezu unberechenbar. Aber das ist lange her, über die Jahre ist er ruhig geworden. Man sah ihn selten, er besuchte kaum mehr das Schützenfest im Ort.«
»Also hat er keinerlei Freunde gehabt?«
Hilde Domscheidt verzog das Gesicht, während sie überlegte. »Er wird schon etwas Kontakt zu den anderen Bauern gehabt haben, da bin ich sicher.«
»Irgendwie ist es schwer vorstellbar«, Alexa nippte versonnen an ihrer Tasse. »Da gibt es im Dorf jemanden, der allseits verhaßt und gefürchtet ist, und keiner schreitet ein.«
»Sollte man ihn verhaften, weil er ein unangenehmer Charakter war?« Hilde Domscheidts Frage war durchaus berechtigt. »Von der Vergewaltigung wußte doch niemand außer Greta, dem Pastor, meiner Schwester und mir. Nun, vielleicht hat der eine oder andere sich seinen Teil gedacht, als die Magd so plötzlich verschwunden war- es wird ja viel geredet in einem Dorf wie unserem. Und Franz Schulte-Vielhaber hatte auf jeden Fall den Ruf, den Frauen ganz ungebührlich nachzustellen.«
»Das hören wir immer wieder«, seufzte Alexa. »Kürzlich erst sprach ich mit Ursel Sauer, die uns ganz ähnlich geschildert hat, was für ein Mensch der Bauer war.«
»Ursel Sauer?« Hilde Domscheidt blickte Alexa erstaunt an. Wir waren gespannt, was jetzt kam. »Ursel Sauer hat so über den Schulte gesprochen? Dabei war sie doch die einzige, die sich ernsthaft für ihn interessierte.«
19
Nachdem Alexa mich in meiner Wohnung abgesetzt hatte, brauchte ich etwas Zeit, bevor ich mich wieder auf meine Klassenarbeiten stürzen konnte. Alexa hatte sich in den Kopf gesetzt, noch am selben Tag nach Seppenrade zu fahren und Maria Scholenski ausfindig zu machen. Ich selbst hatte mich geweigert, nachdem ich einen Blick auf die Karte geworfen hatte. Der Ort Seppenrade lag bei Lüdinghausen, südlich von Münster. Die Fahrt hin und zurück sowie die Sucherei vor Ort würden mehrere Stunden dauern. Die Zeit konnte ich an diesem Wochenende unmöglich aufbringen. Alternativ hatte ich vorgeschlagen, es zunächst einmal telefonisch zu versuchen. Vielleicht konnten wir uns durchfragen und uns die ganze Fahrerei ersparen. Doch damit war Alexa überhaupt nicht einverstanden gewesen. Sie behauptete, daß man als Wildfremde am Telefon wohl
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