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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serge Embacher
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Gesellschaft wie der deutschen niemandem – also auch nicht mächtigen Lobbyisten aus Industrie und Großkapital – verbieten, seine Interessen im politischen Prozess zu vertreten. Einfordern aber darf und muss man zum einen »Waffengleichheit« im Sinne von gleichen Zugangschancen und zum anderen Transparenz über Einflussnahme und Interessenkonstellationen.
    Dabei geht es grundlegend um ein neues Verhältnis von Staat und Bürgergesellschaft und damit um die Überwindung der Hierarchie von Staat und Gesellschaft. Die gesellschaftliche Lebenswelt soll nicht länger gegenüber Machtinteressen der Politik und starken wirtschaftlichen Interessen benachteiligt werden. Der Wille von engagierten Bürgerinnen und Bürgern soll nicht länger als »vorpolitisch« abgetan, sondern neben den gut organisierten Interessen aus Politik und Wirtschaft im Zentrum von politischen Entscheidungen situiert werden (Walk 2008, 117). Ausgehend von der einfachen Überlegung, dass die von politischen Entscheidungen Betroffenen unter Bedingungen einer »Volksherrschaft« (= Demokratie) ein Recht darauf haben, in den Beratungsprozess einbezogen zu werden, zeichnet sich ein neues Verständnis von Politik der Bürgergesellschaft ab. Die öffentlich legitimierten Mandatsträger werden auch weiterhin entscheiden und sich dafür in Wahlen zur Rechenschaft ziehen lassen müssen. Doch nimmt die Bürgergesellschaft stärker Einfluss auf Entscheidungen als lediglich durch turnusmäßige Wahlen. Kommentare und Handlungsalternativen aus ihren Reihen dürfen nicht länger – wie es häufig geschieht – als unsachgemäße und abzuwehrende Interventionen abgetan, sondern müssen als ernsthafte Beiträge zur öffentlichen Entscheidungsfindung betrachtet werden. Von einer solchen Kultur partizipativer Governance sind wir, auch wenn es vor allem in den Kommunen bereits viele gute Ansätze zur Beteiligung von Engagierten gibt, noch weit entfernt.
    Die Idee von Governance als einem »Regieren« des demokratischen Gemeinwesens ist zwar in der Wissenschaft mittlerweile gut beschrieben worden, doch die politischen Akteure selbst folgen ihr – wenn überhaupt – eher unbewusst. Vom offensiven Aufgreifen neuer Impulse zu mehr Beteiligung und mehr Transparenz in politischen Prozessen ist bislang nur wenig zu sehen – ganz zu schweigen von handfesten institutionellen Arrangements zur Etablierung von zugangsoffenen und transparenten Politikprozessen. Das Agieren im Stillen scheint bislang »wichtiger« und vor allem effizienter als eine transparente Politik im öffentlichen Raum, die unweigerlich Risiken wie Macht- und Kontrollverlust mit sich bringt. Die Angst vor dem Absinken auf der Beliebtheitsskala ist bislang allemal größer als der politische Gestaltungswille. Der Weg zu einer neuen Politik für die Bürgergesellschaft ist weit. Es gibt viel zu tun, keineswegs nur für die Akteure in Politik und Staat. Auch für die Wirtschaft und die Bürgergesellschaft selbst dürfte ein Denken in partizipativen Governance-Kategorien weitreichende Konsequenzen haben.
    Um die Tragweite einer neuen Politik der Bürgergesellschaft als zentralen Baustein auf der »Baustelle Demokratie« anzuzeigen, werden daher im Folgenden einige Markierungspunkte gesetzt. Während es beim staatlichen Handeln vor allem darauf ankommt, Engagementpolitik als Demokratiepolitik zu verstehen (a), soll in Bezug auf die Wirtschaft der Zusammenhang zwischen unternehmerischem Handeln und gesellschaftlicher Verantwortung herausgestellt werden (b). Die Bürgergesellschaft muss sich ihrerseits selbst »befähigen«, die ihr zugedachte Rolle als Impulsgeberin für gesellschaftlich-politische Prozesse auch tatsächlich auszufüllen, wozu vor allem eine strikte Ausrichtung von zivilgesellschaftlichen Organisationen am Transparenzgebot gehört (c).
    a) Staat – Engagementpolitik als Demokratiepolitik
    Bislang stellt man sich, vor allem aus der Sicht einer oft selbstgenügsamen Verwaltung, engagierte Bürgerinnen und Bürger häufig als eine Art Begleitprogramm zur »richtigen« Politik vor. Das große Innovationspotenzial, das mit dem Interesse und der Beteiligung von Bürgern verbunden ist, bleibt damit ebenso unsichtbar, wie es neue Chancen und Möglichkeiten der Konfliktbewältigung bleiben (vgl. Walk 2008, 117). Die partizipatorische und innovative Dynamik, die das bürgerschaftliche Engagement auslösen kann, mag zwar für Politiker und Ministerialbeamte anstrengend sein, zwingt aber den

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