Baustelle Demokratie
parlamentarischen Kontrolle zugänglich, da der Erfolg solcher Verhandlungen ja gerade vom Ausschluss der Öffentlichkeit abhängt. Damit wird das für die Demokratie wesentliche Kriterium der Transparenz unterlaufen. Diskretion schlägt Transparenz! Als politischer Laie hat man keine Chance, den Entstehungsprozess von Entscheidungen nachzuvollziehen. Wenn ein Thema in die breite Öffentlichkeit gelangt, sind relevante Vorentscheidungen und Festlegungen meist schon getroffen worden. Die Produktion von »Sachzwängen« findet fast immer in »diskreten« Verhandlungen im Vorfeld von Entscheidungen statt, die eigentlich demokratisch legitimierten Gremien vorbehalten sind. Spitzenpolitiker, Investoren und Planer kommen zusammen, um ein Projekt »auf den Weg« zu bringen. Häufig werden Vorverträge gemacht, erstes Geld fließt, und in der stets verspäteten öffentlichen Debatte kommt immer das Argument, aus Projekt X oder Y könne man nun nicht mehr ohne Schädigung der öffentlichen Finanzen oder juristische Konsequenzen aussteigen.
Das Regieren mittels enger Einbindung von Interessengruppen hinter dem Rücken einer kritischen Öffentlichkeit ist also schon per se problematisch. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern der Staat heute – im Zeitalter der Globalisierung und einer extremen gesellschaftlichen Komplexitätssteigerung – überhaupt noch in der Lage ist, gesellschaftliche Prozesse durch die hergebrachten Formen des Regierens »von oben nach unten« zu steuern. Mit dieser Frage ist keineswegs die Forderung verbunden, der Staat solle sich aus seiner Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen herausziehen, weil er ja ohnehin nichts mit der erforderlichen Effizienz oder ohne missliebige Nebenwirkungen regeln könne – ein gern benutztes Argument, um der Privatisierung staatlicher Aufgaben das Wort zu reden. Der Staat hat ja auch keineswegs de jure an politischer Macht verloren. Nach wie vor verfügt er über das Gesetzgebungs- und Gewaltmonopol, von dem er ausgiebig Gebrauch macht und das bislang nicht ernsthaft bestritten wurde.
Hier geht es vielmehr darum, kritisch zu hinterfragen, ob staatliches Regulieren noch länger als hierarchischer Eingriff von oben nach unten verstanden werden sollte. Die gesteigerte und politisch relevante Macht wirtschaftlicher Akteure und eine zunehmend selbstbewusste und nach politischer Beteiligung verlangende Bürgergesellschaft sprechen dagegen. Wäre es nicht weit sinnvoller, das staatliche Handeln auf eine stärkere gesellschaftliche Beteiligung einzustellen und ernst zu machen mit der Idee eines »kooperativen Staates«? Diese Frage soll hier deutlich bejaht werden: Wenn gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen ohnehin wesentlichen Einfluss auf staatliche Politik haben, dann ist es nur konsequent, in die Offensive zu gehen und die strukturelle Vermischung von Staat und Gesellschaft für eine Neubestimmung von Demokratie zu nutzen.
In den letzten Jahren hat sich für die verschiedenen Mischverhältnisse zwischen Staat und Gesellschaft der Begriff »Governance« (in Abgrenzung zu »Government«) etabliert (vgl. dazu z.B. Benz et al. 2007 und Schuppert 2005). Ohne die facettenreiche Debatte über Governance hier nachvollziehen zu können, lässt sich mit dem Begriff der Umstand beschreiben, dass Entscheidungen in komplexen Gesellschaften nicht nur von einer wie auch immer legitimierten (demokratischen) Führungsebene getroffen werden, sondern ihnen ein von gesellschaftlichen Gruppen und bestimmten Gesetzmäßigkeiten geprägter Kommunikationsprozess vorausgeht. Der Governance-Begriff soll zu einem besseren Verständnis politischer Zusammenhänge beitragen.
Aber das wäre eine – wenngleich spannende – rein politikwissenschaftliche Sichtweise. Governance soll jedoch hier nicht nur als Zustandsbeschreibung für komplexe Steuerungsprozesse in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dienen, sondern vor allem als ein Element von Teilhabe und Demokratisierung beschrieben werden. Um die Bürgergesellschaft als entscheidenden Faktor auf der »Baustelle Demokratie« zu etablieren, braucht man daher eine Idee von »partizipativer Governance« (vgl. Walk 2008). Wenn es richtig ist, dass gesellschaftliche Gruppen stetig am Zustandekommen politischer Entscheidungen beteiligt sind, dann kommt es unter dem Aspekt der Demokratie darauf an, die Prozesse zu öffnen und Betroffene zu Beteiligten zu machen (vgl. ebd., 52). Zwar kann man in einer freien
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