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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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und rief eine Datei auf, die in der komplexen Sprache der Zor geschrieben war. Dann hielt er Boyd den Reader hin. »Was stellt das dar?«
    Boyd nahm den Reader und las. Seine Miene verfinsterte sich, er ließ die Schultern sinken, und schließlich sah er Sergei an.
    »Das ist eine Übermittlung der Zor, Sir, aber sie liest sich mehr wie ein Gedicht. Ich kann Ihnen die Quelle nicht nennen, aber es geht um eine Konfrontation zwischen einem großen Helden – er wird hier Qu’u genannt – und einer bösen Macht. Nein, keine böse Macht, sondern Finsternis, Zerstörung. Irgendeine Macht. Das Wort lautet esHu’ur, es bedeutet …« Er versuchte, ein Äquivalent zu finden, doch es gelang ihm nicht.
    »Die Dunkle Schwingen«, unterbrach Sergei ihn und nahm den Reader an sich, um die Anzeige zu löschen. »Also gut, ich glaube, ich bin bereit, Ihre Geschichte für bare Münze zu nehmen. Wer weiß noch von Ihrer … Ihrer Erfahrung?«
    »Mein Trupp, Sir. Aber soweit ich weiß, hat es von ihnen niemand weitererzählt. Ich hielt es auch für das Beste, diese Details in meinem Bericht für Lieutenant Hong nicht zu erwähnen.«
    »Wieso nicht?« Sergei kannte die Antwort längst.
    »Weil man mir dann ein Zimmer in der Psychiatrie reserviert hätte, Sir. Posttraumatischer Stress. Kampferschöpfung. Das tut der Karriere nicht gut, Commodore.«
    »Sergeant, Ihnen ist doch wohl klar, dass ich Ihnen das Leben zur Hölle machen könnte, weil Sie den Vorfall nicht gemeldet haben, oder?«
    »Als Sie mit Ihren Fragen begannen, Sir«, antwortete Boyd und lehnte sich nach vorn, während er die Arme herunterhängen ließ, »dachte ich mir, dass etwas nicht stimmt. Nach allem, was ich über Sie gehört habe, gab es keinen Grund, Ihnen die Sache zu verheimlichen. Ich dachte nur, Sie würden mir nicht glauben.«
    »Oh, ich glaube Ihnen.« Sergei griff nach einem rosafarbenen Kristall, den Marc offenbar als Briefbeschwerer benutzte, und spielte damit. »Es ist unmöglich, dass Sie diese Übermittlung zuvor gesehen haben könnten. Nicht mal in der übersetzten Fassung. Es gibt in der Flotte nicht mal ein Dutzend Leute, die den Text lesen können – den Admiral eingerechnet, Sie nicht. Bis gerade eben jedenfalls. Sechzig Jahre lang waren uns die Zor völlig fremd. Ein paar von ihnen – Diplomaten und Gelehrte – haben uns einen Besuch abgestattet, und noch weniger Menschen – der Admiral ist einer von ihnen – haben die Welt der Zor aufgesucht.«
    Er sah Boyd einige Sekunden lang an. »Und nun reden Sie von einem grundlegend anderen Verständnis. Sie behaupten, Sie hätten die Grenze überschritten bis hin zu einem Punkt, an dem Sie … was geteilt haben? Gedanken? Gefühle? Sie können einen Zor-Text lesen, Sie verstehen ihre Sprache. Körperlich haben Sie sich nicht verändert, aber Sie könnten eine … metaphysische Veränderung durchgemacht haben. Was mich zu einer wichtigen Frage bringt, Boyd. Sind Sie wirklich noch ein Mensch?«
    »Sir?« Wieder setzte er sich gerade hin. »Ich fürchte, ich verstehe Ihre Frage nicht.«
    »Sie ist ganz einfach. Sind Sie noch menschlich? Würden Sie sich selbst noch als Mensch bezeichnen?«
    Boyd erwiderte nichts, sondern wich Sergeis Blick aus. Stattdessen konzentrierte er sich auf eine Darstellung der Neuen Territorien. Die aktuelle Position der Biscayne bei A’anenu jenseits der Grenzen des Imperiums war als kleines blaues Licht markiert, das in der tiefschwarzen Dunkelheit regelmäßig aufblinkte.
    »Wie lange sind Sie schon Marine, Boyd?«
    »Seit sieben Jahren, Sir.« Er sah Sergei entschlossen an.
    »Wie lange davon im aktiven Dienst?«
    »Vor fünf Jahren kam ich auf die Cambridge, und vor fast drei Jahren erhielt ich einen Posten auf der Biscayne.«
    »Wie denken Sie über die Zor?«
    »Die Zor, Sir? Ich …« Das Schnellfeuer aus Fragen hatte Boyd offenbar überrascht. Er hielt inne, betrachtete seine Hände, als könne er dort die Antwort ablesen. »Ich betrachte sie als unsere Feinde, Sir.«
    »Ganz sicher?«
    »Ja, Sir, ganz sicher.«
    »Gut.« Sergei verschränkte die Hände. »Ich will sichergehen, dass Sie – ob Sie nun noch vollkommen menschlich sind oder nicht – sich im Klaren darüber sind, welche Position Sie mit Blick auf unseren Gegner beibehalten müssen. Ihr Wissen wird von großer Bedeutung sein, und ich muss überzeugt sein, dass Ihre Loyalität nicht der falschen Seite gilt.«
    »Verstehe, Sir.«
    Sergei stand auf, Boyd tat es ihm einen Sekundenbruchteil später nach.

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