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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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und wieder in der Hochsprache. Den anderen am Tisch schien das aus irgendeinem Grund unbehaglich zu sein. »Ich kann die Hochsprache aber viel besser verstehen – und sehen –, als dass ich sie selbst sprechen kann«, fuhr er in Standard fort.
    »Ist das für jemanden wie Sie eine übliche Fähigkeit?«
    »Nein.« Der andere veränderte den Gesichtsausdruck. Gyu’ur spürte … was war das? Verlegenheit? Ein knappes Signal, das ihm Kasu’u mit einer Flügelbewegung gab, bestätigte seinen Eindruck. »Ich muss gestehen, dass sich in mir eine Verwandlung vollzogen hat.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Der Soldat machte den Mund auf, um zu einer Antwort anzusetzen, wurde aber prompt unterbrochen.
    Sergei hatte das Gefühl, dass ihm die Kontrolle abermals entglitt, und verfluchte im Geiste den Sergeant. »Stimmt etwas nicht, Captain?«, fragte er hastig, war sich aber im gleichen Moment bewusst, wie albern er sich anhören musste.
    »Ich bin froh«, erwiderte der Zor langsam, »dass Sie jemanden eingeladen haben, der mit unserer Sprache vertraut ist. Das wird sich sicher als sehr nützlich erweisen. Vielleicht können Sie oder Ihr Stellvertreter uns ein wenig über die Tradition eines Dinners in der Offiziersmesse erzählen.«
    Sergei lächelte und versuchte, Gelassenheit auszustrahlen, dann sah er zu Chan.
    »Es ist eine alte Tradition, jedenfalls nach unseren Maßstäben«, erklärte Chan. »Vor mehr als sechs Jahrhunderten, als sich unsere großen Reisen auf Schiffen zur See abspielten, waren die Quartiere so eng, dass nur der Captain eine eigene Kabine hatte. Genau genommen wurde ihm so viel Privatsphäre zugestanden, wie er sich nur wünschen konnte – ein eigenes Quartier, ein Bereich an Deck, der nur für ihn bestimmt war, ein Kartenraum, ein Brückenhaus. Junioroffiziere dagegen verfugten nur über wenige Dinge, die sie von der Mannschaft unterschieden. Das Problem war dabei, dass diese Offiziere bestimmte Kenntnisse erlernen mussten, um eines Tages ein eigenes Kommando zu übernehmen – Navigation, Buchhaltung und so weiter. Da es nicht für jeden Offizier genug Raum gab, um in einer eigenen Kabine zu studieren, wurde ein Gemeinschaftsraum für sie bereitgestellt. Es dauerte nicht lange, dann nahmen die Offiziere dort auch ihre Mahlzeiten ein, und es entwickelte sich eine gewisse Kameradschaft.«
    »Wie bitte?«, fragte Gyu’ur.
    »e ’djuye«, erklärte Boyd.
    »Ah, ich verstehe«, antwortete Hyos. »Fahren Sie bitte fort.«
    »Die Offiziersmesse dient natürlich noch einem anderen Zweck.« Chan nahm einen Löffel Suppe. »Auf den damaligen Segelschiffen war das Wort des Captains Gesetz. Was gut oder schlecht, richtig oder falsch war – er entschied über alles, was an Bord geschah. Er war dabei auch Richter über Leben und Tod. An Deck durfte niemand streiten oder widersprechen. Aber in der Offiziersmesse konnte jeder Offizier seine Meinung frei äußern, auch wenn er damit dem Captain widersprach. Auf einem gut geführten Schiff war es sogar möglich, dem Captain gegenüber Kritik zu äußern, wenn er es gestattete. Das ist das sogenannte ›Privileg der Offiziersmesse‹; es erlaubt einem Captain, sich hinter verschlossener Tür die Meinung seiner Offiziere anzuhören, ohne die Disziplin zu gefährden.«
    »Und dies hier ist ein … ein gut geführtes Schiff?«
    Chan lächelte und sah zu Sergei. »Sir?«
    »Es ist das beste der Flotte.«
    Nach der Suppe gab es Gemüse. Gyu’ur hatte sich vorgenommen, aus Höflichkeit gegenüber seinen Gastgebern von jedem Gang etwas zu essen. Zu seiner Überraschung schmeckte ihm der Salat ausgezeichnet.
    »Wäre es unverschämt, Fragen über Sie und über Ihr Schiff zu stellen?«, wollte die Frau wissen. Sie hieß … Fordyce. Und sie war … Kom-Offizier? Nein, Waffenabteilung, korrigierte er sich.
    »Keineswegs.« Hyos sah zu seinem Ersten Navigator, »se Mres, würden Sie bitte unseren Gastgebern etwas über die HaSameru erzählen?«
    »Wie der Captain wünscht«, gab Mres steif in der Sprache der naZora ’i zurück, während er seine Flügel rollte, um seinen Widerwillen kundzutun. Die Geste entging dem Marine offenbar nicht, der ihm gegenübersaß. »Unseres ist das vierte Schiff, dem die Ehre zuteil wird, diesen Namen zu tragen, der mit »Krieger bei Sonnenaufgang « übersetzt wird. Es ist vier Achtel und fünf Zyklen alt -etwas weniger als dreißig Jahre Ihrer Zeitrechnung.«
    »Also ein recht altes Schiff«, meinte Fordyce.
    »Nach unseren Maßstäben ist es

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